Mütter- und Schwangerenforum

Krümelchen wird vier - Unsere Geschichte (MA 12. SSW)

bananacookie
50 Beiträge
28.09.2020 11:04
Hallo alle zusammen, dieser Beitrag ist langem (jahrelangem) Überlegen entsprungen. Denn es ist nun fast schon 4 Jahre her, dass mein erstes Kind zu den Sternen gereist ist. Hin und wieder überfällt mich dennoch die Trauer und das Nachdenken über unser Engelchen. So wie gestern Nacht, als ich im Bett an meinen kleinen Sohn gekuschelt, leise um mein klitzekleines Baby weinte. Warum ich das also nach all der Zeit hier niederschreibe? Ich möchte die Geschichte unseres Krümelchens erzählen. Um es für mich realer zu machen, zu verarbeiten und vielleicht der ein oder anderen Sternenmama Mut zu machen. Denn ihr seid nicht allein. Hier ist unsere (lange) Geschichte.

1. Plötzlich schwanger

Ich war 19, als meine Periode nicht kam, und gerade im dritten Semester meines Bachelor-Studiums. Mit meinem Freund war ich seit fast 1 1/2 Jahren zusammen, doch wegen des Studiums sahen wir uns nur an den Wochenenden, wenn ich zurück in unsere Heimat kam. Dass wir irgendwann Kinder wollten, war klar. Doch erst wollte ich meinen Master machen und noch ein paar Jahre arbeiten. Und dann, so mit 23/ 24 Jahren, könnte man sich ja nochmal über Nachwuchs unterhalten.

So war der Plan. Und dann stand ich am 17.10.2016 an der Kasse eines Drogeriemarktes und legte der Verkäuferin mit verstohlenem Blick einen Schwangerschaftstest auf das Band. Es ist nichts , sagte ich mir. Das hattest du letztes Jahr schon einmal, während des Abis. Das ist einfach der Stress. Ich konnte es kaum bis zum nächsten Morgen erwarten und sauste am Folgetag gleich zur Toilette. Schnell war der Test gemacht und nach gefühlt ewigem Warten zeigten sich zwei deutliche, dicke Linien. Ich weinte. Ich war doch noch mitten im Studium. Wie sollte es nun weiter gehen? Was würden meine Eltern sagen? Was würde mein Freund sagen? Mit zitternden Fingern wählte ich seine Nummer und beichtete ihm schluchzend das Test-Ergebnis. Und obwohl er aus allen Wolken fiel, nahm er das Ganze überraschend gut auf. Wir besprachen, dass ich am nächsten Tag noch einen Test machen würde und dann würden wir weitersehen. Am gleichen Abend schrieb er mir, dass er ich irgendwie auf das Kleine freue. Der zweite Test war -wer hätte es gedacht - genauso klar positiv, wie der erste. Ich war also wirklich schwanger. Dass wir das Kind bekommen wollten, stand für uns schnell fest. Ich machte also einen Termin beim Frauenarzt und in der Familienberatungsstelle meiner Universität aus.

Am 15.11.2016 saß ich mit meinem Freund in einer Vorlesung und starrte glücklich auf das schwarz-weiße Ultraschallbildchen, welches das Untersuchungsgerät der Frauenärztin wenige Minuten zuvor ausgedruckt hatte. Ein 1,79 cm großer Embryo war zu sehen gewesen, mit einem lebhaften Herzschlag. Ich befand mich in der neunten Schwangerschaftswoche und alles sah bestens aus. Außer gelegentlicher Müdigkeit fühlt ich mich gut. Wir freuten uns über unser Baby und irgendwie blieb der Spitzname "Krümelchen" hängen. Wir rätselten, ob es wohl ein Junge oder ein Mädchen werden würde und sammelten Babynamen. Unter größter Nervosität bereiteten wir unsere Eltern darauf vor, dass sie bald Großeltern werden würden. Diese reagierten nach einem anfänglichen Schock schnell mit Freude und der Zusicherung von Unterstützung. Ein Gespräch in der Beratungsstelle machte mir Mut, mein Studium auch mit Kind schaffen zu können. Ich schwelgte in Vorfreude, streichelte immer wieder meinen Bauch und malte mir die Zukunft zu dritt aus.
bananacookie
50 Beiträge
28.09.2020 11:06
2. Kein Herzschlag

Der Anfang vom Ende meiner ersten Schwangerschaft zeichnete sich bereits am 29.11.2016 bei einem Termin in einer Hebammenpraxis ab. Bis auf meinen etwas niedrigen Eisenwert war alles super. Zum Schluss versuchte die Hebamme noch, den Herzschlag vom Krümelchen zu messen. Eine ganze Weile fuhr sie mit dem Gerät über meinen Bauch und sagte nichts. Dann mit einem Mal kurz ein leises klopfendes Geräusch. "Da ist es ja", sagte sie mit einem Lächeln, "Es versteckt sich gut." Ich lächelte auch und fand die Vorstellung eines kleinen frechen Babys, das Verstecken spielt irgendwie drollig. Nie und nimmer hätte ich geahnt, dass etwas nicht stimmte. Ich war jung und gesund. Was sollte schon schief gehen?

Die Antwort auf diese Frage erhielt ich bereits am gleichen Abend. Da bemerkte ich, dass mein Ausfluss mit leicht rotbräunlichen Striemen durchzogen war. In meinem Kopf ratterte es und ich begann gleich zu googlen. Von drohender Fehlgeburt bis harmlose Blutung fand ich alles. Ich war ratlos und verängstigt. Sollte ich zum Arzt? Ich rief meine Mutter an, welche mich beruhigte. Ich sollte erst einmal schlafen gehen und sehen, wie es morgen aussah. Gesagt, getan. Am nächsten Morgen waren immer noch leichte Färbungen im Ausfluss, aber noch etwas subtiler als am Vortag. Dennoch ließ mir das ganze keine Ruhe und ich rief bei meiner Frauenärztin an. Diese war gerade im Urlaub, weshalb ich zu ihrem vertretenden Kollegen weitergeleitet wurde. Dort durfte ich gleich vorbeikommen und während ich im Wartezimmer saß redete ich leise mit dem Baby und betete. Es würde alles gut sein. Gestern hatte ich doch noch den Herzschlag von unserem Krümelchen gehört. Nach Ewigkeiten des Wartens wurde ich hineingebeten und schilderte dem Arzt die Situation. Ruhig hörte er zu und bat mich, auf der Untersuchungsliege Platz zu nehmen, damit wir mal nach dem Kleinen schauen können. Mit klopfendem Herzen beobachtete ich, wie auf dem Bildschirm die Fruchthöhle sichtbar wurde. Und da war ja auch mein Baby! Es war gewachsen, das konnte ich sehen. Ich sah kleine Arme und Beine - es sah schon fast wie ein kleiner Mensch aus. Doch etwas war nicht richtig, das erkannte ich.

Es war ruhig, bewegungslos. Und noch während mein Kopf versuchte zu begreifen, wo denn das lebhaft schlagende Herzchen hin verschwunden war, sagte der Arzt: "Es tut mir leid, aber ich kann keinen Herzschlag finden." Diese Worte kamen einem Faustschlag gleich.
bananacookie
50 Beiträge
28.09.2020 13:59
3. Kinder sind doch etwas Schönes

Mein Baby war tot. Tot. Der Arzt reichte mir ein Taschentuch, um meine Tränen zu trocknen und redete mit mir. Ich war innerich benommen, bekam nur die Hälfte mit. Er erklärte mir, dass er in einem Krankenhaus der Stadt praktiziere und für mich morgen einen Termin zur Ausschabung machen könnte. Ich nickte, noch immer wie im Tunnel. Nach einem kurzen Telefonat gab er mir einen Termin für den nächsten Morgen. Ich sollte nüchtern sein und gleich noch für Voruntersuchungen ins Krankenhaus gehen. Als die Dame am Empfang mir mit einem mitleidigen Blick einen Überweisungsschein mit den aufgedruckten Worten "Missed Abort 12. SSW" überreichte, begann ich wieder zu weinen. Sie fragte, ob sie jemanden anrufen sollte, doch ich verneinte und zwang mich zu einem Lächeln.

Auf dem Weg zur nahegelegenen Bahnhaltestelle rief ich meinen Freund an und erzählte ihm alles unter Tränen. Er fragte, ob er gleich los fahren sollte. Aber ich sagte, dass ich das alles alleine machen würde und er jetzt nicht extra deswegen los müsste. Immerhin waren es auch 2 Stunden Fahrt, die er vor sich hatte. Meinen Eltern schrieb ich eine kurze Nachricht, bevor ich in die Straßenbahn einstieg, welche mich zum Krankenhaus bringen sollte.

Während der Fahrt hielt ich die ganze Zeit den Mutterpass in zittrigen Fingern und schaute immer wieder auf das Ultraschallbild von vor zwei Wochen. Als das Herz noch schlug. Als noch alles gut war. Ich weinte vor mich hin, still und leise. Irgendwann stieg ein Mann neben mir aus - nicht aber ohne mich anzulächeln und zu sagen: "Nicht weinen, Kinder sind etwas Schönes." Ich lächelte müde zurück, obwohl ich ihn am Liebsten angeschrien hätte. Ja, Kinder sind etwas Schönes! Und mein Kind ist tot!

Am Krankenhaus angekommen suchte ich mich in dem riesigen Komplex aus Gebäuden nach der Patientenaufnahme. Hier, im Wartebereich, keimten dann auch wieder erste Hoffnungsschimmer auf. Was, wenn der Arzt einen Fehler gemacht hatte? Vielleicht lag das Baby ungünstig oder das Ultraschallgerät war kaputt? Meine Hoffnung wurden zerstört, als nach dem Aufnahmeprozederre auf der Toilette leichte Blutungen einsetzten. Warum passierte das mir, warum meinem Baby? Was hatte ich falsch gemacht?
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