Mütter- und Schwangerenforum

Meine kleine perfekte Cecile

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Laraliii
2421 Beiträge
25.08.2014 21:24
Die Geburt unserer Tochter Cecile
ET 03.08.2014
Geboren am 31. Juli 2014 um 18:56 Uhr

Dienstags um 11 Uhr morgens kam meine Hebamme Sandra zur letzten Akkupunktur zu mir. Da ich seit Montag unter starken Kopfschmerzen litt und schon länger mit hohem Blutdruck zu kämpfen hatte, schickte sie mich umgehend in die Klinik. Dort wurde ich stationär aufgenommen und mir wurde aufgetragen 24 Stunden Urin zu sammeln, um die Eiweißwerte zu kontrollieren. Eine drohende Schwangerschaftsvergiftung und eine Geburtseinleitung waren nicht auszuschließen.

Ich wurde am Tag darauf von der Beleghebamme untersucht. Mein Befund war bereits geburtsreif. Der Muttermund war fingerdurchlässig und der Gebärmutterhals bei ca. einem Zentimeter.
Donnerstags hatte Sandra Dienst. Sie kam nach dem Frühstück, also gegen halb neun, zu mir aufs Zimmer und nahm mich mit in den Kreißsaal zum CTG. Wie in den letzten Wochen nur leichte Wehen, die ich zwar spürte, aber die noch lange nicht ausreichten. Sie erzählte mir, dass der Oberarzt und der Belegarzt gerade am Besprechen waren, ob sie mich einleiten sollten, da die Eiweißwerte im Urin zu hoch seien. Währenddessen untersuchte sie mich erneut – gleicher Befund wie am Vortag.
Als die beiden Ärzte dann in den Kreißsaal kamen, setzte der Oberarzt sich zu mir auf das Kreißsaal-Bett und sagte: „Wenn ich Ihre beste Freundin wäre, was würden sie sagen, wie Sie sich fühlen? Abgesehen von dem dicken Bauch und dass Sie bereits so lange hier im Krankenhaus sind.“
Also zählte ich ihm meine kleinen Probleme auf: ich kann mich nicht mehr bewegen, weil mein Nerv eingeklemmt ist (jeder Schritt tut unsäglich weh), außerdem muss ich alle halbe Stunde Pipi, ich habe Rückenschmerzen, und so weiter…
Er erklärte mir dann, dass er mich nicht mehr nach Hause lässt und ich zwei Möglichkeiten habe: entweder wir warten einfach ab, oder die Geburt wird eingeleitet, wobei ihm die Einleitung lieber sei, da mein Körper offenbar mit der Schwangerschaft nicht mehr so gut klar kommt. Mir war das nur recht, um ehrlich zu sein. Immerhin würde ich dann meine Schmerzen bald los sein. Offen gesagt hatte ich zunächst ein bisschen Angst vor einer Einleitung, weil viele sagen, eingeleitete Geburten seien viel schlimmer und schmerzhafter. Doch das würde ich auch noch schaffen, dachte ich mir.

Dann ging es auch schon los:
Der Belegarzt popelte ungefähr eine Minute lang an der Verpackung der „Spritze“ für das Gel herum, bevor Sandra ihn fragte: „Soll ich es machen?“ und er, nachdem er es endlich geschafft hatte, sagte: „Nein, ich hab es schon geschafft. Das war eine Herausforderung.“. Ich konnte meinen Mund natürlich nicht halten und meinte: „Oh Gott, wenn das schon eine Herausforderung war …“. Sandra lachte, der Arzt grinste und ich sagte: „Sandra, ich bin voll frech zu dem Arzt. Ob das so gut ist?“. Aber sie meinte nur: „So kenn ich dich, Lara. Dann weiß ich wenigstens, dass du jetzt wieder locker bist. Die letzten Tage hast du mir nicht gefallen.“
Dann wurde mir von dem Arzt das Gel an den Muttermund „gespritzt“ und ich musste eine Dreiviertelstunde ruhig liegen bleiben. In der Zwischenzeit erklärte er mir, dass es mehrere Stunden dauernd kann, bis sich etwas tut, dass man alle sechs Stunden eine weitere Dosis geben kann und dass, falls bis heute Abends nichts ist, wir erst am nächsten Tag weitermachen, damit ich noch schlafen konnte. Nachdem er den Kreißsaal verlassen hatte, sagte Sandra, ich könne ja nachher mit Frank ein bisschen spazieren gehen und dass wir heute Mittag mal einen Einlauf machen können, um die Wehen anzukurbeln. Alles klar – ich bin für alles offen und tue, was getan werden muss / soll / kann.
Mittlerweile war es 11 Uhr und ich wurde zurück auf mein Zimmer geschickt mit der Bitte, um 12 erneut zur CTG-Kontrolle zu kommen. Da ich wusste, dass Frank unterwegs zum Krankenhaus war, ging ich nach unten und setzte mich vor das Bistro an die frische Luft. Warum sollte ich auch in meinem Zimmer herumgammeln?
Um kurz vor 12 schrieb ich ihm dann, dass ich im Kreißsaal bin, falls er gleich ankommt, und ging zurück zu Sandra. Die Wehen auf dem CTG waren öfter und auch ein klein wenig stärker. Während des CTGs kam Frank und wir gingen gemeinsam aufs Zimmer. Mein Mittagessen stand schon bereit. Um 14 Uhr sollte dann die nächste Kontrolle im Kreißsaal stattfinden.

Endlich Mittagessen!
Ich war am Verhungern. Leider musste ich dann aber feststellen, dass ich das Essen nicht essen konnte. Alle paar Minuten überkam mich eine Wehe und Frank hielt es für besser, zurück zum Kreißsaal zu gehen. Also wackelte ich abermals über den Flur. Ich war gerade erst angekommen, da stützte ich mich am Pult der Anmeldung ab.
„Sandra, ich hab Schmerzen.“, sagte ich, kaum stand sie neben mir.
„Daran musst du dich jetzt langsam gewöhnen.“, lachte sie und schickte mich in Kreißsaal 3. Der Muttermund war bereits zwei Zentimeter geöffnet und es kamen regelmäßige Wehen. Nun musste ich bleiben. Da ich keine Lust hatte ständig meine Hose aus- und wieder anzuziehen (was mir wegen des eingeklemmten Ichias-Nerv auch sehr schwer fiel), gab sie mir ein sexy Netzhöschen und bedeckte meine Beine mit einer Decke.

Eine Stunde später wurden die Wehen so heftig, dass ich sie konzentriert veratmen musste. Nach einer Stunde fleißigem Veratmen kündigte ich schon mal die PDA an und Sandra telefonierte mit dem Anästhesisten. Dieser kam dann wenig später und schenkte mir die Schmerzfreiheit. Zugegeben, die Wehen waren nicht unerträglich, aber dennoch fühlte ich mich mit der PDA so gut wie lange nicht mehr. Ich konnte mich endlich wieder schmerzfrei bewegen. Dann hieß es erst einmal warten, da ich nun gar keine Wehen mehr hatte. Irgendwie wurde es in dieser Zeit beängstigend langweilig.

Nach einer weiteren Stunde hängte Sandra mir dann einen Wehentropf an und zehn Minuten später hatte ich wieder regelmäßige, aber schmerzfreie Wehen. Der Muttermund war dann auch recht bald bei sechs Zentimeter und eine Ärztin öffnete meine Fruchtblase. Sie zog eine Art Fingerhut mit Nadel an, stocherte ein bisschen in mir rum, bis – Platsch – warmes Wasser aus mir herauszulaufen begann. Kaum war die Fruchtblase gesprengt, spürte ich einen immensen Druck.
„Man kann den Kopf schon sehen.“, sagte Sandra dann. „Frank, willst du mal schauen?“
Sie zog meine Schamlippen etwas auseinander und ließ meinen Freund das Köpfchen betrachten. Sie nahm meine Hand und nun konnte ich zum ersten Mal den Kopf meiner kleinen Tochter erfühlen. Es war ein wirklich schönes Gefühl. Das war also ihr Kopf. Bald würde sie bei uns sein.

Der Druck wurde nach und nach immer stärker und irgendwann ließ die Wirkung der PDA nach, sodass ich mir gleich die nächste Dosis geben ließ. Trotzdem musste ich den Druck der Wehen veratmen, selbst ohne Schmerzen. Ich hatte das Gefühl es würde nicht mehr lange dauern und Sandra untersuchte mich erneut. Der Muttermund war beinahe komplett offen. Sie massierte mir den restlichen Rest noch ein wenig auf und rief dann den Arzt.
„Bei uns geht es gleich los.“, meinte sie zu diesem.
„Was? Kann nicht sein.“, antwortete der Arzt und kam zu uns in den Kreißsaal. Eigentlich hatte er erst viel später mit der Austreibungsphase gerechnet – nämlich in der Nacht.

Nach kurzer Zeit glaubte ich zur Toilette zu müssen und teilte diesen Glauben mit Sandra.
„Nein, du musst jetzt nicht zur Toilette.“, lachte sie. Nur Minuten später wurde es dringend.
„Sandra, ich muss jetzt zur Toilette!“, sagte ich laut und legte den Kopf nach hinten. Sie legte einen Finger an meinen Scheidenausgang und sagte:
„Nein, musst du nicht und jetzt drück dorthin, wo mein Finger ist!“

Das waren also Presswehen…ich hatte einfach nur das Gefühl dringend zur Toilette zu müssen. Ein wirklich merkwürdiges Gefühl. Ich verstehe nun wieso so viele Frauen Angst davor haben ihr Darm könnte sich bei der Geburt entleeren…weil Presswehen sich anfühlen, als würde man genau das tun müssen…Dem Himmel sei Dank passierte mir das nicht!

Erstaunlicherweise wusste ich genau, wann ich pressen sollte und wann nicht. Mein Baby zeigte mir dies ganz deutlich. Ich konnte spüren, wie die kleine Maus mit ihrem Kopf jedes Mal stark nach unten drückte wenn eine Presswehe kam. Sandra leitete mich durch diese letzte Geburtsphase. Sie sagte mir immer ganz genau wie ich pressen sollte, ob stark oder nur ein wenig. Es war einfach und ganz und gar nicht so schlimm wie die meisten behaupten. Ich empfand die Presswehen eher als den „besten“ Teil des Ganzen. Vom Schmerz her war es gut auszuhalten – die PDA wirkte ja auch noch- und endlich wusste ich, dass ich nur noch diese letzte Hürde überwinden musste, um endlich mein Baby im Arm halten zu können.

Doch plötzlich schien irgendetwas schief zu gehen. „Das Baby muss jetzt kommen.“, hörte ich Sandra sagen. Meine Tochter blieb im Geburtskanal stecken – die Herztöne fielen ab. Sandra und der Arzt wurden nervös, eine weitere Hebamme wurde dazu gerufen. Frank sollte eines meiner Beine halten, die andere Hebamme das zweite. Ich musste außerhalb der Wehen pressen – der Arzt half mir dabei, indem er sich auf meinen Bauch legte und nach unten drückte. Es war anstrengend so ganz ohne Wehen zu pressen, aber ich nahm all meine Kraft zusammen und drückte. Dann kam die nächste Wehe…ein ziehender Schmerz und ein befreiendes Gefühl. Der Kopf war geboren.
„Jetzt nicht mehr pressen.“, sagte Sandra. Das war nicht einfach, denn ich hatte noch immer das Gefühl, pressen zu müssen. Ich sollte dem Baby nur noch einen leichten Schubs mitgeben.

Es war geschafft! Unsere kleine Cecile lag auf meiner Brust. Frank durfte die Nabelschnur durchtrennen. Zwischen Erschöpfung und purer Freude nahm ich kaum mehr wahr, was um mich herum passierte. Ich blickte herab auf mein Baby und war überwältigt. Da war sie! Nach fast 40 Wochen war unser kleines Wunder endlich da!
Leider sollte dieser glückliche Moment nicht lange standhalten. Sie schrie nicht. Sie röchelte und gab seltsame Quitschlaute von sich. Sandra rief umgehend die diensthabende Kinderärztin, die unseren Engel sofort mitnahm. Sie hatte zu viel Fruchtwasser geschluckt, als sie für kurze Zeit nicht weiterkam (sie hatte eine Hand am Kopf und deshalb nicht genügend Platz gehabt).

Nun war unsere Tochter weg und wir mussten im Kreißsaal bleiben. Ich wurde genäht – Scheidenriss. Und das war für mich der schlimmste Teil der Geburt: das Nähen tat richtig weh und war zudem noch ein super ekliges Gefühl. Selbst die örtliche Betäubung brachte nichts. Das Gewebe war zu empfindlich.
Ich wünschte mir nichts sehnlicher als zu erfahren, was nun mit meiner Tochter war. Ich wollte sie sehen und sie auf den Arm nehmen. Nachdem ich genäht war und mich angezogen hatte, erfüllte Sandra mir meinen Wunsch. Sie setzte mich in einen Rollstuhl und schob mich zur Kinderintensivstation. Eigentlich hätte ich noch mindestens eine Stunde im Kreißsaal bleiben müssen.

Als wir in dem Zimmer ankamen, wo unsere Cecile lag, überkam mich erneut ein unendliches Glücksgefühl. Endlich konnte ich sie wiedersehen. Da lag sie, in ihrem Wärmebettchen, und war so wunderschön und friedlich. Ich wollte sie herausnehmen und mit ihr kuscheln.
Doch unsere Glücksgefühle hielten nicht lange an. Die Kinderärztin kam zu uns.
„Es ist soweit alles ok. Es geht ihr gut. Wir haben sie abgesaugt und sie atmet selbstständig. Die Herztöne sind auch gut, aber …“
Das große ABER ! Sofort schlug mein Herz schneller. ABER bedeutete grundsätzlich nie etwas Gutes.
„Sagt Ihnen Trisomie 21 etwas?“
Mein Atem stockte, mein Herz setzte aus…ich konnte darauf nicht antworten. Natürlich sagte mir Trisomie 21 etwas…
„Downsyndrom.“, flüsterte ich.
„Sie weist einige Merkmale dieser Krankheit auf.“ Und sie begann aufzuzählen, was ihr an unserer Tochter aufgefallen war: dicke, geschwollene Zunge, herausquillende Augen, die Finger länger als die Hand breit ist, Sandalenfurche zwischen den Zehen und, das wohl markanteste Merkmal, eine dicke Nackenfalte.

Meine Augen füllten sich mit Tränen. Alles was sie sagte stimmte - ich konnte es selbst sehen. Ich konnte mich nicht beherrschen und weinte. Frank stützte sich gegen die Wand und sackte zu Boden. Sandra beugte sich zu mir runter und umarmte mich. Die Ärztin faselte irgendetwas über Ultraschall und Probleme in der Schwangerschaft, fragte uns ob wir verwandt seien und redete von irgendwelchen Gentests und Zukunftsprognosen. Es war mir egal was sie sagte. Ich konnte ihr nicht zuhören. Ich wollte ihr nicht zuhören. Ich wollte, dass sie den Raum verließ und uns mit unserer Tochter alleine ließ. Ich wollte mein Baby endlich auf dem Arm halten!
Da lag sie und schlief…unsere kleine Cecile…unsere kleine, hübsche, perfekte Cecile. Ich sah sie an und wusste, ich liebe sie. Ich liebe sie genauso wie sie ist – egal ob sich der Verdacht bestätigen würde oder nicht.
Ich unterschrieb die Zustimmung für einen Gentest und endlich durfte ich sie aus dem Wärmebett nehmen. Sie blinzelte mich mit ihren wunderschönen Augen an, als wollte sie sagen: Mama, sei nicht traurig. Meine Tränen ließen nach. Mein Baby war bei mir. Das war alles, was ich brauchte.

Leider durfte ich nicht lange bleiben und musste die Kinderstation verlassen – Cecile würde über Nacht unter Beobachtung bleiben, ich würde alleine in meinem Zimmer schlafen. Ich musste zurück in den Kreißsaal, denn ich durfte ja eigentlich gar nicht hier sein. Sandra schob mich in meinem Rollstuhl zurück. Frank durfte noch bei unserer Tochter bleiben.
„Was geht dir jetzt durch den Kopf?“, fragte sie mich leise, als wir auf den Aufzug warteten. Ich zuckte mit den Schultern.
„Weiß nicht.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich hatte keinen Schimmer, was ich denken oder fühlen sollte. Ich war traurig, erschüttert, fassungslos. Dass ausgerechnet wir, ein junges Paar, von solch einer Bürde betroffen sein sollten, konnte ich mir kaum ausmalen. Ich war wie gelähmt und gleichzeitig hatte ich furchtbare Angst vor der Zukunft. Wie würde sich mein Baby entwickeln? Würde es ein relativ normales Leben führen können? Was würde das für mich und meinen Job bedeuten?
„Ich hab sie trotzdem lieb.“, sagte ich und ich konnte erneut spüren, wie mir Tränen die Wange herab liefen. Sandra legte mir die Hand auf die Schulter.
„Natürlich hast du das.“
Oben angekommen legte ich mich in mein Bett, welches in einem der Wehenzimmer stand. Sandra musste noch unseren Papierkram ausfüllen. „Falls du mich brauchst, ruf einfach.“, sagte sie und ließ mich alleine. Ich zog mir Decke bis unters Kinn und starrte aus dem offenen Fenster. Es war fast dunkel draußen. Würde ich damit klar kommen? Konnte ich meine Tochter gut versorgen? Auf sie aufpassen? Ich weiß doch wie die Menschen sind…Menschen sind grausam und denken schlecht über Dinge, die ihnen fremd sind. Wie würden sie auf mein Baby reagieren? Ich konnte schon jetzt ihre starrenden Blicke sehen. Ich stellte mir vor, wie sie mein Kind missbilligten, es komisch anschauten, es vielleicht sogar verurteilten. Und ich hasste sie schon jetzt. Jeden von ihnen.
Doch ich wusste, ich würde stark sein. Stark für meine kleine, liebe Cecile. Egal wie dieser blöde Gentest ausfallen würde. Ich werde stark sein! Ich werde sie vor solchen Menschen beschützen!
Frank kam zu mir, setzte sich zu mir aufs Bett und umarmte mich. Wir weinten gemeinsam – stumm – schweigsam.

In dieser Nacht schlief ich kaum. Frank war zuhause, Cecile war nicht bei mir, ich war ganz allein. Unzählige Gedanken spukten in meinem Kopf herum. Ich wusste nicht wie lange ich weinte, doch ich konnte an nichts anderes denken als an meine kleine Tochter, die dort unten alleine auf der Intensivstation lag und an den Verdacht, den uns die Ärztin an den Kopf geknallt hatte. Wie würde unsere Zukunft wohl aussehen?
Cecile war in dieser Nacht sich selbst überlassen. Ich konnte nichts für sie tun. Ich konnte nicht bei ihr sein. Trisomie 21…es wollte und wollte einfach nicht in meinen Kopf…es konnte einfach nicht sein…
Es dämmerte bereits zum Morgengrauen, als ich endlich einschlief.
Kurz nach halb acht war Frank wieder bei mir und wir konnten nach der Visite um neun endlich wieder zu Cecile. Sie sah noch immer so wunderschön und perfekt aus wie am Vorabend, doch nun, da sie nicht mehr in Handtücher eingewickelt war sah sie irgendwie verändert aus. Ihre Augen waren nicht mehr geschwollen und ihre Zunge erschien mir weniger dick.
In mir wuchs die Hoffnung. Hatte sich die Ärztin geirrt? War sie nicht doch ein gesundes Kind? Eine andere Ärztin war nun da. Sie kam zu uns und besprach den weiteren Tagesverlauf mit uns. Cecile durfte am Nachmittag zu mir auf die Station, wenn ihre Blutzuckerwerte stabil blieben. Wir fragten sie, ob sie ebenfalls glaubt, dass sie unter dem Downsyndrom leidet.
„Eigentlich nicht…doch ich will Ihnen keine falschen Hoffnungen machen.“, war ihre Antwort.
Eigentlich nicht…wir glaubten eigentlich auch nicht mehr daran.

Als Cecile endlich bei mir auf dem Zimmer war konnte ich nicht anders, als mich über diese Ärztin des letzten Abends zu ärgern. Zugegeben, sie macht nur ihren Job, doch hätte sie sich nicht denken können, dass ich von der Geburt ausgelaugt und erschöpft war? Konnte sie sich denn nicht denken, dass ich keinen Schlaf finden würde, wenn sie mir einen solch niederschmetternden Verdacht mitteilen würde? Konnte sie nicht verstehen, dass wir voll Glück und Freude waren und sie all das zerstören würde? Innerhalb von Sekunden?
Denn: es hätte doch nichts geändert, selbst wenn sie es uns erst am nächsten Morgen mitgeteilt hätte. Das Blut für den Test wäre doch so oder so erst am Folgetag verschickt worden. Im Nachhinein fand ich ihr Verhalten unsensibel…Sie hätte sich zumindest eine zweite Meinung einholen können…Und je länger und öfter ich meine kleine Tochter betrachtete, je öfter ich sie beobachtete, desto sicherer war ich, dass überhaupt nichts war…ich war mir fast sicher: sie ist gesund.

Sonntags wurde dann die U2 von der Oberkinderärztin durchgeführt. Sie untersucht meinen kleinen Engel und schüttelte dann den Kopf.
„Also…das Kind ist kerngesund. Sie brauchen das Ergebnis des Tests nicht abzuwarten.“
Mir fiel ein riesen Stein vom Herzen, denn ich wusste, diese Ärztin hatte langjährige Erfahrung und wusste von was sie sprach. Die Schwestern der Station umarmten mich freudig. Alle wussten, wie es mir in den letzten Tagen ergangen war. Alle wussten, wie schwer ich es hatte, welche Lasten und welche Ungewissheiten mich plagten.
Das endgültige Ergebnis kam dann am Donnerstag darauf, als wir bereits vier Tage zuhause waren. Der Test war negativ. Cecile war gesund!

Die Geburt unserer Tochter war das schönste, herzergreifendste und allerbeste, was mir je widerfahren ist. Für nichts auf dieser Welt würde ich diese Stunden zurückgeben wollen. Für nichts auf dieser Welt würde ich meine Tochter hergeben. Ich liebe sie! Mein Leben lang!
Shnaddy
11002 Beiträge
25.08.2014 21:45
Wow wundervoll geschrieben...Habe die ganze Zeit mitgefiebert und war gespannt,wie es ausgeht...

Herzlichen Glückwunsch zu deiner Maus...

Finde die Ärztin oder war es ein Arzt?! Auch sehr unsensibel... sowas hätte nicht sein müssen...Wie kann man frisch gebackenen Eltern sowas an den kopf werfen ohne sich zu vergewissern??
Laraliii
2421 Beiträge
25.08.2014 21:52


Dankeschön
Sie ist so ein kleiner Engel

Eine Ärztin...sie war noch ziemlich jung...möglicherweise fehlt ihr in solchen Dingen auch noch die Erfahrung...aber man kann sich ja denken, wie sich die Eltern dann fühlen...
schlatz
49144 Beiträge
25.08.2014 22:16
das ist so toll geschrieben!! ich könnte noch ewig weiter lesen!

alles alles liebe zur geburt eurer tochter cecile!!
TiniBini
9975 Beiträge
25.08.2014 23:23
Wirklich sehr ergreifend geschrieben!

Herzlichen Glückwunsch!
Willkommen kleine Cecile!
Kuzco82
3187 Beiträge
26.08.2014 00:03
Was für eine herzzerreißende Geschichte...sehr lang....aber ganz toll geschrieben.....
Danke das ich deine Geschichte lesen durfte....
Alles alles gute für eure gemeinsame Zukunft.
Laraliii
2421 Beiträge
26.08.2014 05:21
Danke ihr Lieben
naeden81
69 Beiträge
26.08.2014 07:18
Wow, ich lesen hier meist nur still mit.. doch hier bei deinem Bericht kullern bei mir die Tränen. Ich freue mich für euch dass alles gut gegangen ist. Da bekommt der Satz "Hauptsache Gesund" nochmals eine tiefere Bedeutung. ALLES LIEBE FÜR EUCH!!
26.08.2014 08:36
Herzlichen Glückwunsch!

Ja, Ärzte können sehr unsensibel sein.

Als bei mir Ultraschall bei der Vorsorge gemacht wurde, sagte mir die Ultraschallassistentin, sein Geschlecht wäre zu klein, könnte ein Genfehler sein.

In einem weiterem Krankenhaus wieder das gleiche und noch schlimmer, mein Sohn hätte wohl zwei Geschlechter!!!

Ein weiterer Arzt schaute dann nochmals, und dann endlich, nein, es ist eindeutig ein Junge, alles in Ordnung!

Wenn man sich nicht sicher ist, was man sieht, dann würde ich als Arzt in einem Monat nochmal nachschauen und nichts sagen!

Wolkenlicht
10230 Beiträge
26.08.2014 17:17
Herzlichen Glückwunsch!

Was für eine herzergreifende Geschichte
Auch wenn der Test positiv gewesen wäre: eure Liebe hätte euch noch stärker gemacht!
Laraliii
2421 Beiträge
28.08.2014 17:24
Danke euch allen

Hab euch mal zwei Bilder von der Kleinen ausgesucht...

einmal direkt nach der Geburt:

und einmal am nächsten Morgen:

30.08.2014 12:11
Gerade das Bild vom 2. Tag ist sooo süß!
Sina31
2341 Beiträge
01.09.2014 19:29
UIUIUI...ich habe gerade deinen wunderschön geschriebenen Bericht gelesen und heule Rotz und Wasser
Ich bin so froh, dass ihr ein gesundes Mäuschen im Arm halten dürft. Aber auch das ihr sie geliebt hättet, wenn sie krank gewesen wäre, finde ich so schön.
Und sie ist zuckersüß
blaupause
1142 Beiträge
01.09.2014 19:47
Das ist so wundervoll geschrieben und ich hatte Tränen in den Augen. Die Nacht muss so schlimm für dich gewesen sein, ich will es mir gar nicht vorstellen! Cecile ist eine bezaubernde, süße kleine Maus! Es freut mich wirklich sehr, dass doch alles gut ging!
Laraliii
2421 Beiträge
03.09.2014 08:25

Danke dass euch der Bericht so gut gefällt

Ja wir hätten sie genauso geliebt sie wäre auch noch immer unser perfekter Engel gewesen
Ich bin aber dennoch froh, dass sie gesund ist...so ein Schock macht einem erst richtig bewusst, wie schnell das Leben eine völlig andere Bahn einschlagen könnte...
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