Mütter- und Schwangerenforum

Prader-Willi-Syndrom

Anonym 1 (207330)
0 Beiträge
05.09.2021 14:38
Hallo ihr Lieben,

ich habe kürzlich erfahren, dass die 6 Monate alte Tochter einer Freundin mit dem Prader-Willi-Syndrom geboren wurde. Sie möchte derzeit nicht, dass ihr Umfeld davon weiß, damit das Kind so lange es geht möglichst normal aufwachsen kann. Leider konnten es die wenigen Menschen, die davon wissen, nicht für sich behalten und so wurde ich quasi unfreiwillig eingeweiht. Um sie und die Familie zu schützen, erstelle ich diesen Beitrag anonym.

Ich habe die letzten Tage viel zum Thema gelesen und ich muss sagen, dass mich die Sache wahnsinnig beschäftigt Mir tut es so wahnsinnig leid für das Kind, aber auch die Familie.
Ich wollte mal fragen, ob jemand von euch schon Berührungspunkte mit Prader-Willi hatte und ein wenig erzählen mag, wie es sich geäußert hat und wie es den Betroffenen mit zunehmendem Kindesalter ging?
Um ehrlich zu sein würde ich gern ein bisschen Hoffnung schöpfen und vielleicht auch von leichteren Verläufen lesen

Momentan muss die kleine Maus täglich Wachstumshormone gespritzt bekommen (das zerreißt einem echt das Herz ), bekommt Physio und Logopädie. Nach meiner Einschätzung macht sie sich gut und hängt motorisch Gleichaltrigen gar nicht so weit hinterher. Auffällig ist aber, dass sie sehr ruhig ist. Das typische Babyprabbeln fehlt, sie schreit nie (auch bei Hunger nicht) und schläft sehr viel.

Wer (wie ich vorher) noch nie davon gehört hat:
Es handelt sich dabei um einen angeborenen Gendefekt. Die Betroffenen sind häufig kleinwüchsig, haben eine Muskelschwäche und entwickeln im Kindesalter eine Esssucht, weil bestimmte Bereiche im Gehirn gestört sind. Sie haben kein Sättigungsgefühl und entwickeln daher häufig eine Fettleibigkeit und diverse Folgeerkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dadurch beträgt die Lebenserwartung der Betroffenen oft nur 20-30 Jahre Teilweise sind die Kinder auch geistig beeinträchtigt. Manche von ihnen lernen niemals sprechen. Ich habe gelesen, dass die Krankheit oft Betreuung bis ins Erwachsenenalter erfordert und dass das Abhalten vom ständigen Essen für die Eltern ein täglicher Kampf ist.

Dieses Thema wurde anonym erstellt, weil:

Weil ich die Familie schützen möchte.

05.09.2021 17:05
Ich habe beruflich ein paar erwachsene Menschen mit PWS kennengelernt. Alles waren sehr freundliche, aufgeschlossene Menschen, die viel Freude an gemeinsamen Gruppenaktivitäten hatten und vielfältige Hobbys und Interessen.

Einen genauen Verlauf vorher zu sagen ist immer schwierig. Alle Menschen mit PWS, die ich kenne, waren von ihrer Intelligenz im Bereich der Lernbehinderung oder leichten geistigen Behinderung. Es gibt aber auch Menschen mit PWS, die stärker kognitiv eingeschränkt sind. Alle die ich kannte konnten lesen und schreiben (Niveau etwa Ende 4. Klasse als Erwachsene) und in Grundzügen rechnen. Wobei Schwierigkeiten im abstraktem Denken bestehen. 2 von 3 konnte zum Beispiel keine analoge Uhr lesen. Lebenspraktisch waren alle drei recht fit mit ihren individuellen Schwächen. 2 von 3 fuhren bekannte Strecken alleine mit dem Bus und konnten auch kleinere Einkäufe erledigen. Sie konnten sich selber anziehen, waschen und versorgen und grindsätzliche Haushaltstätigkeiten wie spülen, saugen oder Wäsche waschen durchführen.
Alle drei haben Routinen geliebt und faden Abweichungen von diesen eher weniger klasse.
Ein großes Thema war natürlich die Ernährung und alle drei waren stark übergewichtig. Trotz eines speziellen sport- und ernährungsprogramms. Allerdings ist das alles auch fast 20 Jahre her und ich bin sicher, dass sich in dem Bereich einiges getan hat. Damals haben wir die psychologische Komponente z.B. noch vollständig ignoriert.
2 von 3 hatten bereits mit Mitte 30 mit Folgeerscheinungen des Übergewichts zu kämpfen und waren Diabetiker. Ein anderer war Anfang 20 und so weit noch nicht betroffen.
Es war klar, dass alle drei eine lebenslange Betreuung brauchten.

Was die Lebenserwartung angeht, ist diese heute in der Regel immer höher als in der Literatur angegeben. Die Zahlen dort sind immer überholt und spiegel nicht den medizinischen Fortschritt wieder. Da kannst du für ein heute geborenes Kind vermutlich getrost 30-40 Jahre drauf packen (oder noch mehr), wenn die medizinische und therapeutische Begleitung stimmt.

In der Literatur wird bei Down-Syndrom auch gerne noch 20-25 Jahre als Lebenserwartung. Die Ärzte prognostizieren meinem Sohn aber 70-75 Jahre oder mehr auf Grund des medizinischen Fortschritts.
Anonym 1 (207330)
0 Beiträge
05.09.2021 20:39
Zitat von Carlchen0102:

Ich habe beruflich ein paar erwachsene Menschen mit PWS kennengelernt. Alles waren sehr freundliche, aufgeschlossene Menschen, die viel Freude an gemeinsamen Gruppenaktivitäten hatten und vielfältige Hobbys und Interessen.

Einen genauen Verlauf vorher zu sagen ist immer schwierig. Alle Menschen mit PWS, die ich kenne, waren von ihrer Intelligenz im Bereich der Lernbehinderung oder leichten geistigen Behinderung. Es gibt aber auch Menschen mit PWS, die stärker kognitiv eingeschränkt sind. Alle die ich kannte konnten lesen und schreiben (Niveau etwa Ende 4. Klasse als Erwachsene) und in Grundzügen rechnen. Wobei Schwierigkeiten im abstraktem Denken bestehen. 2 von 3 konnte zum Beispiel keine analoge Uhr lesen. Lebenspraktisch waren alle drei recht fit mit ihren individuellen Schwächen. 2 von 3 fuhren bekannte Strecken alleine mit dem Bus und konnten auch kleinere Einkäufe erledigen. Sie konnten sich selber anziehen, waschen und versorgen und grindsätzliche Haushaltstätigkeiten wie spülen, saugen oder Wäsche waschen durchführen.
Alle drei haben Routinen geliebt und faden Abweichungen von diesen eher weniger klasse.
Ein großes Thema war natürlich die Ernährung und alle drei waren stark übergewichtig. Trotz eines speziellen sport- und ernährungsprogramms. Allerdings ist das alles auch fast 20 Jahre her und ich bin sicher, dass sich in dem Bereich einiges getan hat. Damals haben wir die psychologische Komponente z.B. noch vollständig ignoriert.
2 von 3 hatten bereits mit Mitte 30 mit Folgeerscheinungen des Übergewichts zu kämpfen und waren Diabetiker. Ein anderer war Anfang 20 und so weit noch nicht betroffen.
Es war klar, dass alle drei eine lebenslange Betreuung brauchten.

Was die Lebenserwartung angeht, ist diese heute in der Regel immer höher als in der Literatur angegeben. Die Zahlen dort sind immer überholt und spiegel nicht den medizinischen Fortschritt wieder. Da kannst du für ein heute geborenes Kind vermutlich getrost 30-40 Jahre drauf packen (oder noch mehr), wenn die medizinische und therapeutische Begleitung stimmt.

In der Literatur wird bei Down-Syndrom auch gerne noch 20-25 Jahre als Lebenserwartung. Die Ärzte prognostizieren meinem Sohn aber 70-75 Jahre oder mehr auf Grund des medizinischen Fortschritts.


Lieben Dank für deine Erfahrungen
Das die Lebenserwartung doch so hoch ist, hätte ich nicht gedacht. Das freut mich wirklich, zu hören
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