Was haben eure Eltern falsch gemacht?
20.12.2019 21:29
Es ist wie es ist,wir können es nicht ändern,es bringt also auch nichts,wenn wir mit den Fingern auf unsere Eltern zeigen. Auch nicht,wenn wir uns sagen,es wäre alles anders gekommen wenn.... Es ist vorbei,es ist geschehen. Wir können es mir besser machen,ob es richtig ist? Das wissen wir dann in 20 Jahren. Wenn dann eure/unsere Kinder mit dem Finger auf uns zeigen und sagen,das habt ihr falsch gemacht
20.12.2019 21:46
Also, dass stimmt man kann es nicht ändern. Aber zwischen einen Klaps auf den Po und verprügeln, treten, beleidigen und sexuell Missbrauchen ist ja wohl ein himmelweiter Umterschied. Und das kann niemals als harmlos oder das war eben früher so abgetan werden.
Jede Mutter und jeder Mensch macht Fehler. Aber ich habe das Gefühl, durch diese Handlungen unserer Eltern haben wir nun den Salat mit Antiautoritärer Erziehung und somit oftmals rotzfrechen Kindern.
Wir sind von einem Extrem ins Andere genommen. Und um ehrlich zu sein, wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich auch antiautoritär erziehen, bevor ich Gewalt an kleinen Menschen ausübe.
Jede Mutter und jeder Mensch macht Fehler. Aber ich habe das Gefühl, durch diese Handlungen unserer Eltern haben wir nun den Salat mit Antiautoritärer Erziehung und somit oftmals rotzfrechen Kindern.
Wir sind von einem Extrem ins Andere genommen. Und um ehrlich zu sein, wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich auch antiautoritär erziehen, bevor ich Gewalt an kleinen Menschen ausübe.
21.12.2019 10:57
Zitat von Elsilein:
Zitat von Schnecke510:
Ach, ihr seid sehr kritisch.
Ich bin mal gespannt, was eure Kinder sagen. Die Zeiten ändern sich, die Sitten auch. Was man heute als normal empfindet, empfindet man in 30 Jahren als grausam und verletzend. Und so sehe ich das. Ich trage meinen Eltern nichts nach (außer meinem Vater den Alkohol), aber sonst...es war damals halt so.![]()
Hast du dir die Postings hier durchgelesen?![]()
Hier geht es überwiegend um mehr als Schmelzflocken und Apfelsaft. Viele Schreiberinnen hier wären mit einer sicheren und gewaltfreien Umgebung schon zufrieden gewesen, viele haben weitreichende gesundheitliche Spätfolgen davon getragen. Da ist dein "war damals halt so" schon ein ziemlicher Schlag unter die Gürtellinie.
Klar, wer seine Kindheit ohne PTBS, Depressionen, kaputte Rücken, Essstörungen oder Lungenerkrankungen überstanden haben möchte, hat halt einfach zu hohe Ansprüche.![]()
Davon kann keine Rede sein. Meine Kindheit war alles andere als gewaltfrei, Depressionen und Essstörungen hatte ich auch...also, bitte...ich weiß sehr wohl, wovon ich rede.
21.12.2019 21:52
Meine Kindheit war geprägt von Gewalt und lieblosigkeit.
Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter mich je in den Arm genommen hat. Sowas gab es einfach nicht. Auftritte, abschlusszeugnis etc war ich immer allein, nie war jemand aus der Familie dabei.
Dazu gehörten Schläge, mit dem kochlöffel oder Gürtel zum Alltag. Die Ohrfeigen mit der Hand waren dagegen schon normal.
Als ich als Teenager nach einer Vergewaltigung schwanger war, musste ich das Kind bekommen und zur Adoption freigeben.
Und meine Mutter ist bis heute der Meinung, dass sie nichts falsch gemacht hat.
Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter mich je in den Arm genommen hat. Sowas gab es einfach nicht. Auftritte, abschlusszeugnis etc war ich immer allein, nie war jemand aus der Familie dabei.
Dazu gehörten Schläge, mit dem kochlöffel oder Gürtel zum Alltag. Die Ohrfeigen mit der Hand waren dagegen schon normal.
Als ich als Teenager nach einer Vergewaltigung schwanger war, musste ich das Kind bekommen und zur Adoption freigeben.
Und meine Mutter ist bis heute der Meinung, dass sie nichts falsch gemacht hat.
21.12.2019 22:14
Zitat von Schnecke510:
Zitat von Elsilein:
Zitat von Schnecke510:
Ach, ihr seid sehr kritisch.
Ich bin mal gespannt, was eure Kinder sagen. Die Zeiten ändern sich, die Sitten auch. Was man heute als normal empfindet, empfindet man in 30 Jahren als grausam und verletzend. Und so sehe ich das. Ich trage meinen Eltern nichts nach (außer meinem Vater den Alkohol), aber sonst...es war damals halt so.![]()
Hast du dir die Postings hier durchgelesen?![]()
Hier geht es überwiegend um mehr als Schmelzflocken und Apfelsaft. Viele Schreiberinnen hier wären mit einer sicheren und gewaltfreien Umgebung schon zufrieden gewesen, viele haben weitreichende gesundheitliche Spätfolgen davon getragen. Da ist dein "war damals halt so" schon ein ziemlicher Schlag unter die Gürtellinie.
Klar, wer seine Kindheit ohne PTBS, Depressionen, kaputte Rücken, Essstörungen oder Lungenerkrankungen überstanden haben möchte, hat halt einfach zu hohe Ansprüche.![]()
Davon kann keine Rede sein. Meine Kindheit war alles andere als gewaltfrei, Depressionen und Essstörungen hatte ich auch...also, bitte...ich weiß sehr wohl, wovon ich rede.
Es tut mir sehr leid, dass auch du schlimme Erfahrungen machen musstest!

Trotzdem - so viele Geschichten mit einem "es war halt so" abzutun, finde ich nicht richtig und - wie jemand anderes schrieb - sehr unreflektiert. Denn "es war halt so" ist weder Erklärung, noch Rechtfertigung, noch Entschuldigung für das, was einigen hier passiert ist. Wer sich (als Täter) mit sowas herausreden möchte, ohne dabei Reue zu zeigen, hat etwas ganz wesentliches nicht verstanden im Leben. Ja, es waren andere Zeiten. Diese rechtfertigen aber nicht alle schlimmen Taten, über die hier anschaulich berichtet wurden.
Ich weiß, dass dein "damals" - mit Verlaub, ist nicht böse gemeint - ein anderes "damals" ist als z. B. meines. Ich bin in den späten 80ern geboren. Und NEIN, da war es definitiv NICHT NORMAL, dass Kinder nahezu täglich Gewalt ausgesetzt waren. Der Großteil meiner gleichaltrigen Freunde und Bekannten hatte zum Glück eine sehr schöne und behütete Kindheit. "Mal" eine Ohrfeige kam zwar auch da selten mal vor, aber Gewalt war nicht alltäglich.
Ich finde den Ansatz der Nachkriegsenkel (? oder wie war das gleich?) sehr gut und interessant - nicht als Entschuldigung, aber als möglicher ursächlicher Faktor. Trotz allem ist es die Aufgabe aller Eltern, die Grundbedürfnisse (!) ihrer Kinder z. B. nach Nahrung, Kleidung, Sicherheit zu erfüllen. Hier heult keiner, weil er kein Pony haben durfte oder der Familienurlaub nicht auf die Malediven ging. So wie du es darstellst, klingt es aber fast schon, als seien es Luxusprobleme, die hier hart in der Kritik stehen. Das finde ich sehr sehr schade.

22.12.2019 12:11
Eltern nichts mehr meine Mama. Ich bin ohne Vater aufgewachsen dass heisst auch ohne Respekt vor Männern so dass ich öfter mich auf der Strasse prügelte und praktisch auch eine Zeit lang obdachlos war. Ich werde bestimmt keinen Erziehungsfehler machen wie meine unersetzbare Mama, trotzdem wünschte ich mir sie hätte es so gemacht wie ich es machen werde. Denke dass Verbot und Schläge nicht dass richtige sind. Hab mir mal was durchgelesen und denke dass werde ich probieren. *Link entfernt* Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. !

22.12.2019 12:15
Meine Mutter hat ab meinem ersten Geburtstag so ziemlich alles falsch gemacht was geht... ich war immer eher für sie zuständig, statt sie für mich. Ich frage mich daher sehr oft „was würde meine Mutter wohl jetzt machen“ und mache dann das Gegenteil. Funktioniert super

22.12.2019 12:34
An dieses Zitat musste ich bei vielen Beiträgen denken:
"Die Kindheit ist wie ein Holz, in das Nägel geschlagen werden. Die guten Nägel sind die, die nur so tief im Holz stecken, dass sie halten, sie beschützen einen wie Stacheln. Oder man kann später etwas daran aufhängen. Oder man kann die Nägel herausziehen und wegwerfen. Schlecht sind die ins Holz gedroschenen Nägel, deren Köpfe tiefer liegen als die Oberfläche des Holzes, man sieht gar nicht, dass dort etwas Hartes ist, ein vor sich hin rostender Fremdkörper.“
Aus: Arno Geiger, Unter der Drachenwand.
Ich wünsche allen, die Gewalt erlebt haben (ob körperlich oder psychisch), dass sie die Vergangenheit hinter sich lassen oder falls nötig, Hilfe annehmen können
.
"Die Kindheit ist wie ein Holz, in das Nägel geschlagen werden. Die guten Nägel sind die, die nur so tief im Holz stecken, dass sie halten, sie beschützen einen wie Stacheln. Oder man kann später etwas daran aufhängen. Oder man kann die Nägel herausziehen und wegwerfen. Schlecht sind die ins Holz gedroschenen Nägel, deren Köpfe tiefer liegen als die Oberfläche des Holzes, man sieht gar nicht, dass dort etwas Hartes ist, ein vor sich hin rostender Fremdkörper.“
Aus: Arno Geiger, Unter der Drachenwand.
Ich wünsche allen, die Gewalt erlebt haben (ob körperlich oder psychisch), dass sie die Vergangenheit hinter sich lassen oder falls nötig, Hilfe annehmen können

25.12.2019 18:06
Zitat von Darwin27:
Zitat von Anonym 16 (203224):
Zitat von Darwin27:
Seit Tagen hab ich diesen Thread im Auge und er triggert mich. Posititv. Ich denke, er ist eine gute Möglichkeit, sich das Erlebte einmal von der Seele zu schreiben, schwammige Erinnerungen zu einem Bild zusammenzufügen, das man dann besser verarbeiten kann.
Lange Zeit dachte ich, ich hätte die optimale Kindheit gehabt. Meine Eltern haben sich nach langer Beziehung, aber gleich nach meiner Geburt getrennt und mit 3 bekam ich einen eigentlich tollen Stiefpapa. Der hat gut für uns gesorgt, ich hatte 3 Urlaube im Jahr, ein eigenes Pferd in Offenstallhaltung direkt am Haus, guten Kontakt zu meinem Vater, der auch sehr liebevoll war... Klingt erstmal gut. Dennoch habe ich so viele negative Erinnerungen, die mich jetzt als Mutter ständig und ohne Vorwarnung einholen.
Dass ich Frühaufsteher bin und war, war schon immer nervig für alle. Wenn ich morgens vor der Schule heimlich im Bett gelesen habe, wurde geschimpft (?!) und einmal bekam ich sogar ein 0,5L-Glas Wasser ins Bett und Gesicht geschüttet, damit ich damit aufhöre. Generell hat mein Stiefvater viel mit "Erschrecken" erzogen, was ich heute noch hasse. Oft hat er sich von hinten an mich rangeschlichen und mich an den Schultern geschüttelt. Das hat mich nicht nur erschreckt, sondern auch beschämt. Denn manchmal war ich am Essen, oder im Gespräch. Ich empfand das schon als Kind sehr respektlos.
Ich hatte einmal den Abdruck einer Mückenplätsche im Gesicht. Er hat mich damit geschlagen - warum weiß ich nciht mehr. Irgendwie wurde das auch eher als "Ausrutscher", als "Ich wollte sie nur erschrecken und sie kam mir zu nah" abgetan. Niemand empfand das als schlimmIch erinnere mich aber noch an die Scham und die Schmerzen.
Im Teeniealter war es cool, die Schnürsenkel offenstehen zu lassen und ihn hat das immer gestört. Er hat sich mal wieder angeschlichen und wollte mir von hinten mit der Schere die Schnürsenkel abgeschneiden. Da ich die Schere nicht kommen sah, hab ich mich gebückt und die Senkel festhalten wollen. Er schnitt mir fast die Fingerkuppe ab. Das war zwar kein Mutwille, ist mir aber schlimm in Erinnerung geblieben.
Am Schlimmsten empfinde ich aber immernoch die psychische Gewalt in Form von Ausgrenzung. Meine Mutter und mein Stiefvater sind (noch immer) aneinandergewachsen. Und das wollten sie immer durchkämpfen - auch vor den Kindern. Wir durften uns nie zwischen sie setzen, stellen oder im Bett legen. Generell ging er immer vor. Meine Mutter sagte einmal zu mir: "Kinder gehen irgendwann und gründen eigene Familien. Der Mann bleibt für immer." Das hat mich so sehr verletzt, dass ich heute noch heulen könnte, obwohl ich wahrlich nicht nah am Wasser gebaut bin. Zudem höre ich heute noch oft, ich sei nur eifersüchtig, immer eifersüchtig gewesen. Auf meine Frage (vor 3 Monaten), ob das nicht auch zurecht so gewesen sei, hat meine Mutter nur eine Antwort: "So ein Quatsch, du aaaaarmes Scheidungskind. Du hattest doch von allem doppelt!" ---> Ich werde heute noch belächelt und nicht ernstgenommen. Das ist die schlimmste Strafe für mich und deshalb nehme ich meine Tochter vlt auch manchmal zu ernst.
Mein Vater, ein toller Vater, aber selbst als Kind vom Alkoholikervater misshandelt worden, hat vieles körperlich geklärt. Ich war lange Bettnässer (nachts). Er hat mir dafür den Hintern versohlt. Ich musste mich über seinen Schoß legen und er hat fest zugeschlagen. Meine Mutter war absolut gegen körperliche Gewalt, konnte das aber nicht verhindern, weil er das auf seine Art regeln wollte. Meine (Stief-)Schwester hat er mal mit Kleidern unter die eiskalte Dusche gestellt, "damit sie mal wieder klarkommt".
Wegen des Bettnässens habe ich eine Odyssee an Berater- und Psychologenterminen, einer Operation und Familienkonferenzen, Bloßstellungen vor der Familie und vor Fremden hinter mir. Dabei hätte man sich einfach mal in mich hineinversetzen müssen. Ich bin oft nachts aufgewacht und wusste (durch den Wechsel zwischen WE beim Papa, Woche bei der Mutter) nicht, in welchem Zimmer ich bin, habe die Tür nicht gefunden, geweint, eingenässt, bis in die Grundschule Daumen gelutscht. Ständig wurde ich vorgeführt ("Die pisst ja noch ins Bett!") und vor anderen bloßgestellt.
Und als ich 14 war und mich für die Schule geschminkt habe, hat mein Vater mich am Hals gepackt und an der Wand hochgedrückt. Ich weiß heute noch nicht, was in diesen sonst so liebevollen Mann gefahren ist. Wahrscheinlich geht es ihm wie mir, und die Vergangenheit hat ihre Spuren hinterlassen. Auch in mir ist dieser ständige Impuls, meine Kinder zu klapsen, wenn ich Stress habe und überfordert bin. Ich leide sehr darunter und mache meine Kindheit dafür verantwortlich. Das wäre aber zu einfach.. also kämpfe ich aktiv dagegen an und schreibe deshalb auch diesen (sehr langen) offenen Beitrag. Vielleicht hilft das mir zu verarbeiten, zu ordnen und mir und meinen Kindern, eine gänzlich liebevolle, verständnisvolle, gewaltfreie Beziehung zu haben und zu halten.![]()
An die, denen es ähnlich ging: Ist es für euch auch schwierig diesen Wechsel zwischen liebevoller rosapupsKindheit und Gewalt zu sortieren? Ich hoffe sehr, dass ich das besser mache.
Nicht direkt. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass meine liebevolle Rosapupskindheit sich mit meiner eigenen Mutterschaft ins Gegenteil umgewandelt hat, weil ich seitdem erst wirklich verstehen kann, auf was es bei der Kindererziehung ankommt. Sowohl was sehr banale und eigentlich selbstverständliche Dinge wie Körperpflege, Gesundheitsfürsorge, Zahnpflege, Rauchfreiheit etc. angeht, als auch bzgl. aktiver physischer und psychischer Gewalt.
Im Grunde fing die Fassade meiner unbeschwerten Kindheit an zu bröckeln, als ich meiner Mutter von meiner Schwangerschaft erzählte und sie sich trotzdem rücksichtslos neben mir ihre Zigarette ansteckte. Ab da ging es immer weiter bergab und mir dämmerte immer mehr, wie wenig "richtig" das damals alles war.![]()
Ich meinte Wechsel auch eher in Bezug auf die Vergangenheit. Also die Tatsache, dass wir gerade noch am Tisch saßen und besonders liebevoll miteinander umgingen, ehrlich sprechen konnten und respektvoll miteinander umgingen und 5 Minuten später, wenn ich vielleicht gerade pubertätsbedingt unmöglich war, wurde ich geschüttelt. Das ist jetzt ein fiktives Beispiel, nur um zu verdeutlichen, wie unvorhersehbar das Ganze manchmal für mich war.
Je älter ich wurde , desto sicherer war ich mir , dass das nicht alles so Friede Freude Eierkuchen war, wie ich das lange empfunden habe . Je öfter ich mit anderen Menschen über die jeweilige Kindheit gesprochen habe, desto öfter hörte ich von ganz unbeschwerten Kindheiten ohne Gewalt und merkte immer mehr, dass das nicht normal bei uns war. Sicher gab es in anderen Familien auch schlimmeres... Aber normal war es eben eigentlich nicht. Und mit den Schwangerschaften wurde das Ganze dann erst richtig präsent für mich.
Diesen Wechsel kenne ich auch sehr gut. Ich hatte zu meinem Vater (mittlerweile verstorben) eine sehr enge Beziehung. Als Erwachsene war er meine absolute Vertrauensperson. Er war ein toller Vater und hat viel mit mir unternommen, wir haben viel gelacht und waren uns sehr nah, aber er hatte auch cholerische Anfälle, die ich nie kommen sah. Da waren Gewaltausbrüche dabei, Bloßstellungen und Ausgrenzung. Aber das war nur ein ganz kleiner Anteil meiner Kindheit.
Ich habe dadurch gelernt Menschen zu lesen und ihre Stimmungen sofort eingustortieren. Ich dachte immer, ich bin besonders empathisch. Ich habe ein großes Defizit beim Thema Vertrauen und neige zu starker Eifersucht. Es hat sehr lange gebraucht um mein (teilweise krankhaftes) Verhalten zu verstehen. Außerdem fühlt es sich immer noch nicht richtig an, meine Kindheit negativ zu bewerten oder meinen Eltern kritisch zu begegnen.
Also tatsächlich, ist genau das mein Thema. (sogar ganz aktuell)
25.12.2019 18:56
Zitat von sososo:
Zitat von Darwin27:
Zitat von Anonym 16 (203224):
Zitat von Darwin27:
Seit Tagen hab ich diesen Thread im Auge und er triggert mich. Posititv. Ich denke, er ist eine gute Möglichkeit, sich das Erlebte einmal von der Seele zu schreiben, schwammige Erinnerungen zu einem Bild zusammenzufügen, das man dann besser verarbeiten kann.
Lange Zeit dachte ich, ich hätte die optimale Kindheit gehabt. Meine Eltern haben sich nach langer Beziehung, aber gleich nach meiner Geburt getrennt und mit 3 bekam ich einen eigentlich tollen Stiefpapa. Der hat gut für uns gesorgt, ich hatte 3 Urlaube im Jahr, ein eigenes Pferd in Offenstallhaltung direkt am Haus, guten Kontakt zu meinem Vater, der auch sehr liebevoll war... Klingt erstmal gut. Dennoch habe ich so viele negative Erinnerungen, die mich jetzt als Mutter ständig und ohne Vorwarnung einholen.
Dass ich Frühaufsteher bin und war, war schon immer nervig für alle. Wenn ich morgens vor der Schule heimlich im Bett gelesen habe, wurde geschimpft (?!) und einmal bekam ich sogar ein 0,5L-Glas Wasser ins Bett und Gesicht geschüttet, damit ich damit aufhöre. Generell hat mein Stiefvater viel mit "Erschrecken" erzogen, was ich heute noch hasse. Oft hat er sich von hinten an mich rangeschlichen und mich an den Schultern geschüttelt. Das hat mich nicht nur erschreckt, sondern auch beschämt. Denn manchmal war ich am Essen, oder im Gespräch. Ich empfand das schon als Kind sehr respektlos.
Ich hatte einmal den Abdruck einer Mückenplätsche im Gesicht. Er hat mich damit geschlagen - warum weiß ich nciht mehr. Irgendwie wurde das auch eher als "Ausrutscher", als "Ich wollte sie nur erschrecken und sie kam mir zu nah" abgetan. Niemand empfand das als schlimmIch erinnere mich aber noch an die Scham und die Schmerzen.
Im Teeniealter war es cool, die Schnürsenkel offenstehen zu lassen und ihn hat das immer gestört. Er hat sich mal wieder angeschlichen und wollte mir von hinten mit der Schere die Schnürsenkel abgeschneiden. Da ich die Schere nicht kommen sah, hab ich mich gebückt und die Senkel festhalten wollen. Er schnitt mir fast die Fingerkuppe ab. Das war zwar kein Mutwille, ist mir aber schlimm in Erinnerung geblieben.
Am Schlimmsten empfinde ich aber immernoch die psychische Gewalt in Form von Ausgrenzung. Meine Mutter und mein Stiefvater sind (noch immer) aneinandergewachsen. Und das wollten sie immer durchkämpfen - auch vor den Kindern. Wir durften uns nie zwischen sie setzen, stellen oder im Bett legen. Generell ging er immer vor. Meine Mutter sagte einmal zu mir: "Kinder gehen irgendwann und gründen eigene Familien. Der Mann bleibt für immer." Das hat mich so sehr verletzt, dass ich heute noch heulen könnte, obwohl ich wahrlich nicht nah am Wasser gebaut bin. Zudem höre ich heute noch oft, ich sei nur eifersüchtig, immer eifersüchtig gewesen. Auf meine Frage (vor 3 Monaten), ob das nicht auch zurecht so gewesen sei, hat meine Mutter nur eine Antwort: "So ein Quatsch, du aaaaarmes Scheidungskind. Du hattest doch von allem doppelt!" ---> Ich werde heute noch belächelt und nicht ernstgenommen. Das ist die schlimmste Strafe für mich und deshalb nehme ich meine Tochter vlt auch manchmal zu ernst.
Mein Vater, ein toller Vater, aber selbst als Kind vom Alkoholikervater misshandelt worden, hat vieles körperlich geklärt. Ich war lange Bettnässer (nachts). Er hat mir dafür den Hintern versohlt. Ich musste mich über seinen Schoß legen und er hat fest zugeschlagen. Meine Mutter war absolut gegen körperliche Gewalt, konnte das aber nicht verhindern, weil er das auf seine Art regeln wollte. Meine (Stief-)Schwester hat er mal mit Kleidern unter die eiskalte Dusche gestellt, "damit sie mal wieder klarkommt".
Wegen des Bettnässens habe ich eine Odyssee an Berater- und Psychologenterminen, einer Operation und Familienkonferenzen, Bloßstellungen vor der Familie und vor Fremden hinter mir. Dabei hätte man sich einfach mal in mich hineinversetzen müssen. Ich bin oft nachts aufgewacht und wusste (durch den Wechsel zwischen WE beim Papa, Woche bei der Mutter) nicht, in welchem Zimmer ich bin, habe die Tür nicht gefunden, geweint, eingenässt, bis in die Grundschule Daumen gelutscht. Ständig wurde ich vorgeführt ("Die pisst ja noch ins Bett!") und vor anderen bloßgestellt.
Und als ich 14 war und mich für die Schule geschminkt habe, hat mein Vater mich am Hals gepackt und an der Wand hochgedrückt. Ich weiß heute noch nicht, was in diesen sonst so liebevollen Mann gefahren ist. Wahrscheinlich geht es ihm wie mir, und die Vergangenheit hat ihre Spuren hinterlassen. Auch in mir ist dieser ständige Impuls, meine Kinder zu klapsen, wenn ich Stress habe und überfordert bin. Ich leide sehr darunter und mache meine Kindheit dafür verantwortlich. Das wäre aber zu einfach.. also kämpfe ich aktiv dagegen an und schreibe deshalb auch diesen (sehr langen) offenen Beitrag. Vielleicht hilft das mir zu verarbeiten, zu ordnen und mir und meinen Kindern, eine gänzlich liebevolle, verständnisvolle, gewaltfreie Beziehung zu haben und zu halten.![]()
An die, denen es ähnlich ging: Ist es für euch auch schwierig diesen Wechsel zwischen liebevoller rosapupsKindheit und Gewalt zu sortieren? Ich hoffe sehr, dass ich das besser mache.
Nicht direkt. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass meine liebevolle Rosapupskindheit sich mit meiner eigenen Mutterschaft ins Gegenteil umgewandelt hat, weil ich seitdem erst wirklich verstehen kann, auf was es bei der Kindererziehung ankommt. Sowohl was sehr banale und eigentlich selbstverständliche Dinge wie Körperpflege, Gesundheitsfürsorge, Zahnpflege, Rauchfreiheit etc. angeht, als auch bzgl. aktiver physischer und psychischer Gewalt.
Im Grunde fing die Fassade meiner unbeschwerten Kindheit an zu bröckeln, als ich meiner Mutter von meiner Schwangerschaft erzählte und sie sich trotzdem rücksichtslos neben mir ihre Zigarette ansteckte. Ab da ging es immer weiter bergab und mir dämmerte immer mehr, wie wenig "richtig" das damals alles war.![]()
Ich meinte Wechsel auch eher in Bezug auf die Vergangenheit. Also die Tatsache, dass wir gerade noch am Tisch saßen und besonders liebevoll miteinander umgingen, ehrlich sprechen konnten und respektvoll miteinander umgingen und 5 Minuten später, wenn ich vielleicht gerade pubertätsbedingt unmöglich war, wurde ich geschüttelt. Das ist jetzt ein fiktives Beispiel, nur um zu verdeutlichen, wie unvorhersehbar das Ganze manchmal für mich war.
Je älter ich wurde , desto sicherer war ich mir , dass das nicht alles so Friede Freude Eierkuchen war, wie ich das lange empfunden habe . Je öfter ich mit anderen Menschen über die jeweilige Kindheit gesprochen habe, desto öfter hörte ich von ganz unbeschwerten Kindheiten ohne Gewalt und merkte immer mehr, dass das nicht normal bei uns war. Sicher gab es in anderen Familien auch schlimmeres... Aber normal war es eben eigentlich nicht. Und mit den Schwangerschaften wurde das Ganze dann erst richtig präsent für mich.
Diesen Wechsel kenne ich auch sehr gut. Ich hatte zu meinem Vater (mittlerweile verstorben) eine sehr enge Beziehung. Als Erwachsene war er meine absolute Vertrauensperson. Er war ein toller Vater und hat viel mit mir unternommen, wir haben viel gelacht und waren uns sehr nah, aber er hatte auch cholerische Anfälle, die ich nie kommen sah. Da waren Gewaltausbrüche dabei, Bloßstellungen und Ausgrenzung. Aber das war nur ein ganz kleiner Anteil meiner Kindheit.
Ich habe dadurch gelernt Menschen zu lesen und ihre Stimmungen sofort eingustortieren. Ich dachte immer, ich bin besonders empathisch. Ich habe ein großes Defizit beim Thema Vertrauen und neige zu starker Eifersucht. Es hat sehr lange gebraucht um mein (teilweise krankhaftes) Verhalten zu verstehen. Außerdem fühlt es sich immer noch nicht richtig an, meine Kindheit negativ zu bewerten oder meinen Eltern kritisch zu begegnen.
Also tatsächlich, ist genau das mein Thema. (sogar ganz aktuell)
Ich finde diese Unvorhersehbarkeit ehrlich gesagt einfach besonders schlimm. Sie nimmt einem das Gefühl, Situationen einschätzen zu können. Wann wird übermäßig kritisch und beäugt alles extrem genau.
25.12.2019 20:20
So gesehen hatte ich eine sehr gute Kindheit, gewalt gab es nicht.
Das einzige was ich heute merke, meine Mutter kann Gefühle sehr schwer zeigen, in den Arm nehmen und so, das kenne ich nicht von ihr.
Denke deswegen war ich ein Vater Kind, der hatte immer mit mir gekuschelt und in den Arm genommen. Aber meine Mutter ist und war immer da wenn ich sie brauche.
Sie ist wie sie ist und das würde ich ihr nie vorwerfen.
Ich bin das Gegenteil, ich liebe es mit meinem Sohn zu kuscheln und ihn zu halten, sofern er es noch mag.
Das einzige was ich heute merke, meine Mutter kann Gefühle sehr schwer zeigen, in den Arm nehmen und so, das kenne ich nicht von ihr.
Denke deswegen war ich ein Vater Kind, der hatte immer mit mir gekuschelt und in den Arm genommen. Aber meine Mutter ist und war immer da wenn ich sie brauche.
Sie ist wie sie ist und das würde ich ihr nie vorwerfen.
Ich bin das Gegenteil, ich liebe es mit meinem Sohn zu kuscheln und ihn zu halten, sofern er es noch mag.
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