Mütter- und Schwangerenforum

Ein Teil aus meinem Leben: Sie hat die Sonne nicht gesehen, doch sie wird als Stern für mich am Himmel stehen.

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OrcinusOrca
1464 Beiträge
20.10.2008 17:15


OrcinusOrca
1464 Beiträge
20.10.2008 17:18


missmarpel
4430 Beiträge
21.10.2008 17:15
Huhu Orcali, tolle Bilder, sehr ehrlich und bewegend, Bilder sagen ja bekanntlich mehr als 1000 Worte, so auch hier....*umarm* ....Schafi
22.10.2008 22:06
ohh man du tust mir sowas von leid und wo ich noch deine bilder sah war ich einfach nur sprach los
sowas muss echt schlimm sein ich glaube deine jassica guck auf dich herrab und ist ganz stolz auf dich
ich weis leider nicht mehr was ich schreiben soll aber ich wünschr dir trozdem ein schönes leben
Kathy1985
164 Beiträge
25.10.2008 13:44
Deine Geschichte ist unglaublich.
Ich glaube es gibt kaum oder gar überhaupt keine passenden Worte um dich zu trösten.
Diese Wortemüssen noch erfunden werden!...
Du bist ein toller Mensch, und du hasttest schwere Jahre, trotzdem bist du an der Vergangenheit gewachsen und gehst immer gestärkter durch dein neues Leben.
Das du dich selbst versuchst wieder zu finden ist wichtig.
Deine kleine Jessica wohnt wie du sagst weiterhin in deinem Herzen, und stirbt somit nie!
Als Mama kann ich nur sagen das ich in meinem Herzen auch deine Gechciht tragen werde.
Das ist das mindeste was ich dir geben kann und möchte

Ich wünsche dir das du dich findest, den Sinn in deinem Leben neu entdeckst und vielleicht irgendwann einem weiteren Kind die Chance gibst eine so tapfere und wunderbare Mutter wie dich zu haben!

Alles alles Liebe und Glück für dich

Liebe Grüße Katharina
Kathy1985
164 Beiträge
25.10.2008 13:55
Es ist wirklich nicht faier, das sie dir genommen wurde! Sie war so unschuldig.... Es trifft mich sehr ,...deine Geschichte!! Es schmerzt mein Herz was dir wiederfahren ist

Liebe GRüße Katharina
Sweety2707
724 Beiträge
25.10.2008 22:44
Also mir fehlen die worte habe deine Geschichte jetzt stück für stück gelesen weil ich zwichen drin einfach mal eine Pause machen musste Denk Pausen da es mich sehr berührt hat hab soviele Tränen vergossen.

finde du bist eine sehr starke Frau und glaub mir deine Jessica guckt jetzt auf dich runter und ist stolz auf ihre Mami.

fühl dich gedrückt
Schmetterling16
13143 Beiträge
28.10.2008 17:11
hallo, ich finde dich so stark... du hast einen weg gefunden darüber zu reden. das buch. und ja du solltest es veröfffentlichen wenn es für dich ok ist. Es wird sehr vielen helfen und mut machen . Und die bilder deiner kleinen süssen maus sollten natürlich auch dabei sein.
hab sie auch angesehen in deinem profil. man denkt sie schläft. sie sind wunderschön. warum solltest du sie nicht ins buch auch geben. soll doch jeder sehen das mäuschen.
ich werde mir dein buch sicher kaufen wenn es mal veröffentlicht ist. es ist sehr schön, wenn doch sehr traurig.
jeder der es lest braucht mal net tempo box extra dazu
viel kraft für dein weiteres leben und ich wünsche dir ein zweites kind zu bekommen. das wird das erlebt zwar nicht ungeschehen machen und du wirst es auch nie vergessen. aber es lässt wunden besser heilen.
29.10.2008 11:48
Zitat von OrcinusOrca:
Mittwoch, der 27.05.1998

„ .... und einen Kinderwagen haben wir auch schon."
Mit strahlendem Gesicht zeigte ich Britta meinen Kinderwagen. Sie bestaunte unsere schon gekauften Materialien, wir hatten schon eine Unmenge an Spielsachen, extra neue Möbel, Lichterspiele, Kleidung, eine Babydecke, ein Spielgestell von Fischer Prise was Melodien erzeugen konnte und dabei vier verschiedene Birnen zum Leuchten brachte. Jeder bewunderte unsere schon gekauften Materialien und von jeder Mutter hörten wir, das man soviel doch gar nicht für ein Kind braucht. Wir waren nun mal junge Eltern. Ich gerade 18 Jahre und mein Freund gerade erst 20 Jahre alt. Das Kind war nun mal ein Unglück, obwohl wir es nie als solches betrachtet hatten, im Gegenteil. Wir stellten uns keine überflüssigen Fragen wie:
" Sind wir nicht noch viel zu jung," oder " Wollten wir nicht erst noch etwas von der Welt sehen, sie genießen, ohne diese Verantwortung?"
Tobias und ich sahen dies als einen neuen Anfang und wir waren uns dieser Aufgabe bewußt. Für Sie hört sich das vielleicht komisch an, soetwas aus einem Mund zu hören, von einem Mädchen, das gerade selbst erst ihr achtzehntes Lebensjahr erreicht hatte, aber währe mir dieses Kind egal gewesen, dann würde ich nicht dieses Buch schreiben und Ihnen meine Geschichte erzählen. Verstehen Sie bitte, dieses Kind war mein Kind und so habe ich es auch geliebt, vom ersten Tag an wo ich von der Schwangerschaft erfuhr, von daher war unsere erste Frage: "Wie soll unser Kind denn heißen," weil alles was man liebt einen Namen hat und so entschieden wir uns, das ein Junge Alexander und ein Mädchen Jessica - Annette heißen sollte. Mir war es damals sehr wichtig, das ein Mädchen den Zweitnamen Annette bekommen sollte. Meine Mutter trug diesen Namen, die ich in meinem fünfzehnten Lebensjahr an einem Nierenversagen verlor. Kurz nach meiner Geburt erkrankte sie an dem Blutkrebs Leukämie. Ich war elf, als die Krankheit akut ausbrach und sie sich einer Knochenmarktransplantation (KMT) unterziehen musste.
Nie werde ich ihre Stärke und ihren Mut vergessen deshalb wollte ich, das mein Kind diesen zweiten Namen trägt, aus der Hoffnung, das die anderen Menschen, die seid Jahren mein Leben mit mir teilten nie vergessen, das es mal ein Mensch gegeben hat, auf dem man Stolz sein konnte.
Sehen Sie, diese Person war kein normaler Mensch wie Sie und ich nein, sie war etwas ganz besonderes. Nach der KMT wurde sie 60 % Gehbehindert, sie wurde Zuckerkrank und Blind und wollte trotz allem nur Leben, doch dieser Wunsch wurde ihr am 1. Mai 1995 genommen.

Mike, ein Freund von uns, kam an diesem Abend zu Besuch und stellte uns ein Mädchen mit dem Namen Britta vor die er kennen gelernt hatte. Sie war sehr nett, aber ich werde nie ihre Blicke vergessen, die ständig auf meinem Bauch schauten. Ich war in der 31 SSW und somit war der Bauch schon mehr als deutlich zu erkennen. Ich weiß bis heute nicht, was sie damals dachte, vielleicht war es etwas Positives, ich will keinem etwas unterstellen, aber mir war es im Endeffekt egal welche Blicke auf mich schauten, im Gegenteil, ich genoß diese, weil ich mir der Aufgabe bewusst war und außerdem war ich immer viel zu stolz auf das schon gesammelte Material, das ich es mir nicht nehmen ließ, dieses zu zeigen.
Ich zeigte ihr auch meine kleine lila Badewanne die schon im Badezimmer ihren Platz gefunden hatte. Ja, sogar Badespielzeug lag schon darin. Zwei kleine Enten, ein Delphin den man auf drehen konnte und der dann selbständig schwamm, ein kleines Krokodil... wir hatten sogar schon drei verschiedene Badewannen Thermometer.

Britta und Mike gingen um 22.00 Uhr. Die Abwechslung hatte uns beiden sehr gut getan. Die Besuche unserer Freunde waren nun mal weniger geworden, wofür ich aber auch einerseits Verständnis hatte. Wir hatten uns durch die neue Situation total verändert. Wo andere, in unserem Alter keine Fete verpassen wollten, behandelte wir dieses Thema mit Respekt, weil ich damals gelesen hatte, das dies schädlich fürs Kind sei ( zu laute Musik ), ich hatte mich eigentlich an alles gehalten, außer meinem Zigarettenkonsum von acht behielt ich bei. Ich trank aber keinen Tropfen Alkohol, sogar die Herrencreme ließ ich stehen, wegen dem Rum. Ich hielt alle Arzttermine ein, überforderte mich nie und versuchte immer die Ruhe zu bewahren. Tobias und ich genossen aber auch die Zeit, in der wir alleine waren. Wir kamen nie in richtige Langeweile nein, die Zeit war wunderschön, wir haben jeden Moment genossen.

Britta und Mike waren nun gegangen. Ich entschied mich in die Badewanne zu legen, ein Fehler, den ich bis heute bereue. Wie so oft streichelte ich auch heute mein schon recht dicken Bauch. Das Kind liebte es zu Baden, jedes mal wackelte der Bauch hin und her, wenn ich ihn in diesem warmen Wasser zu streicheln begann. Auch ich liebte diese warme Umgebung nach einem anstrengenden Tag. Ich liebte das Gefühl wie sich die Muskeln wieder entspannten und auch heute genoss ich diesen Entschluss.
Ich hörte wie Tobias im Wohnzimmer seine Gargols - Filme soutierte. Nachdem ich ca. 10 Minuten in der Badewanne lag, länger durfte man nach meinem Buch nicht in der Badewanne bleiben, zumindest nicht, wenn man am Ende des siebten Monats war, stieg ich aus der Wanne aus, trocknete mich ab und cremte mich mit eine Nivea Lotion ein, aus der Hoffnung, das die Schwangerschafts -streifen dadurch vielleicht ein wenig verblassen.
Auch dies liebte unser Kind, denn beim Bauch ließ ich mir besonders viel Zeit. Oft dachte ich wenn ich über meinen Bauch streichelte, oder wenn ich mit ihm sprach, das diese doch so schönen Bewegungen und Tritte eine Antwort währen, als Zeichen:
" Hallo, ich bin da" und so genoss ich die Zeichen meines Kindes immer wieder aufs neue.
Ich legte mich, nachdem ich angezogen war, ins Wohnzimmer auf die Couch und schaute Tobias bei seinem Tun zu. Auf mal verspürte ich einen stechenden Schmerz im Rücken. Ich dachte, das das Kind vielleicht falsch liegen würde und drehte mich, doch der Schmerz blieb. Ich fühlte über meinen Bauch. Er war schon ganz hart geworden. Tobias bemerkte, das etwas nicht stimmte:
" Was ist los?".
" Ich weiß nicht, ich habe auf mal tierische Rückenschmerzen. Fühle mal mein Bauch, der ist total hart," sagte ich ihm mit einer besorgten Stimme.
Er kam zu mir, und legte seine Hand vorsichtig und behutsam auf ihn und streichelte darüber.
" He Du kleiner Wurm, mach dich nicht so dick, du tust der Mama weh." Ich mußte lachen, aber es dauerte nicht lange, bis ein erneutes Stechen auftrat. Tobias schaute mich an:
" Es sind bestimmt nur Vorwehen, die sind normal für den siebten Monat," sagte ich ihm um ihn zu beruhigen,
"OK, aber wenn es schlimmer wird, dann sag mir Bescheid, dann fahren wir zum Krankenhaus."
Es war süß wie besorgt er um mich und um unser Baby war, aber das war er die ganze Schwangerschaft durch. Taschen durfte ich ab dem Zeitpunkt, wo wir von unserem Baby wussten, nicht mehr tragen nein, er achtete sogar darauf, das ich bei verschiedenen Spaziergängen auch meine Pausen bekam, zu süß seine Besorgnis, zu süß sein Verhalten, zu süß seine Freude auf das neue Leben, das uns erwarten sollte.
Ich nickte, als Zeichen dafür das er beruhigt sein konnte und das ich ihm Bescheid sagen würde. Die Vorstellung, das es Vorwehen waren beruhigte uns . Wissen Sie, vielleicht wäre jede andere Frau in dieser Situation zum Krankenhaus gerannt und hätten sich dies bestätigen lassen, aber mir haben viel zu viele Frauen, Mütter erklärt, das dies ab den siebten Monat normal wäre, zu Blind mein Vertrauen, zu Blind mein Verhalten, satt dessen lag ich nun im Bett und quälte mich mit diesem Schmerz. Ich sagte Tobias, das er sich bitte ins Gästezimmer legen sollte, da wir damals ein Bett mit einer durchgehenden Matratze von 1,40 Meter hatten und jedesmal wenn Tobias sich drehte, schmerzte mein Rücken um so mehr. Er stand sofort auf, nachdem er sich vergewisserte, das ich wirklich Bescheid sagen würde, wenn es noch schlimmer wird.
Ich lag nun alleine in diesem Raum. Die Tür von meinem und Tobias Zimmer war geöffnet, damit er jederzeit eingreifen konnte wenn etwas passieren würde. Ich glaube es hat Stunden gedauert bis ich einschlief, aber ich wachte am nächsten Morgen mit den gleichen Schmerzen wieder auf.

Donnerstag, der 28.05.1998

Ich hörte wie Tobias in der Küche das Frühstück vorbereitete. Heute war ein besonderer Tag für uns, ein Tag worauf wir uns schon lange gefreut hatten, wir konnten nun endlich nach dem gynäkologischen Termin um 10.00 Uhr das lang ersehnte Kinderzimmer für unser Baby abholen. Ich stand auf und betrat die Küche:
" Einen wunderschönen gute Morgen mein Schatz, wie geht es dir?" sagte er grinsend und goß während dessen meinen Kaffee ein:
" Guten Morgen, mir geht es immer noch nicht besser, ich bin froh wenn ich gleich die Herztöne höre, es hat die ganze Nacht nicht einmal getreten."
Das schlechte Gewissen bedrückte mich, ob es richtig war, das ich in dieser Nacht nicht zum Krankenhaus gegangen war? Schließlich waren doch die Schmerzen schlimmer geworden. Am meisten bedrückte mich aber die Angst das alles schief gehen könnte, die Angst das schon alles vorbei ist, das alles neu gewonnene wieder zu verlieren, weil ich in dieser Nacht nicht eine Bewegung, nicht ein kleines Zeichen verspürte.

An diesem Morgen waren wir nun eine viertel Stunde zu früh bei meinem Gynäkologen, der praktizierende Arzt war noch nicht einmal in seiner Praxis, nur die Sprechstundenhilfe der ich meine Beschwerden sofort erzählte, wobei ich auch erwähnte, das das Kind seid dem Einsatz der Wehen nicht einmal mehr getreten hatte. Sie setzte mich an den Wehenschreiber. Erst hier erfuhr ich, das dies keine Vorwehen, sondern richtige Wehen waren; das Gerät zeichnete diese sogar auf.
Der Gynäkologe, Dr. W. betrat erst eine viertel Stunde später das Zimmer. Auch ihm erzählte ich meine Beschwerden. Er legte diesen Gürtel der von dem Wehenschreiber um meinem Bauch geschnallt war zich mal um, um das Herz des Kindes für dieses Gerät zu finden, aber kaum ein klopfen, kaum ein laut. Ich sah zu Tobias. Er schüttelte nur den Kopf; nie werde ich seinen Ausdruck vergessen, nie diese Leere, die Angst, die Hoffnung die sein Gesicht zeichnete.

Ich wendete mein Kopf ab von jeglicher Realität, von jeglichem Glauben. Ich schaute auf die Dächer der Stadt und flehte sie an: " Bitte nimmt mir alles, nur nicht mein Kind, laßt mein Baby leben," doch um so mehr ich diese Dächer ansah, desto mehr begriff ich.
Dr. W. versuchte mit anderen Mitteln das Herz unseres Kindes zu erhaschen und mit einem Stethoskop informierte er uns über etwas, was uns wieder atmen ließ.
" Frau Kaß, die Herztöne ihres Kindes sind ziemlich schwach. Ich werde ihnen eine Magnesiuminfusion geben, das die Gebärmutter etwas ausruhen läßt."
Schon nach den ersten Minuten an dem ich mit der Infusion verbunden war, hörte man das Herz von unserem Kind in vollen Zügen schlagen. Wieviel Dank hätte ich in diesem Moment diesen Menschen sagen können, der uns unser Kind wiedergab. Wir waren beide so glücklich.
" Ich werde Sie trotz dessen für ein einhalb Wochen dem Krankenhaus anvertrauen, dort sind Sie unter Beobachtung. Ihrem Kind geht es nicht so gut, aber sie brauchen keine Angst zu haben, es wird überleben."
Nachdem sich Dr. W. noch durch einen Ultraschall vergewisserte das wirklich alles in Ordnung ist, liefen wir auf Anweisung des Arztes, direkt zum Krankenhaus, was ca. 500 Meter von seiner Praxis entfernt war.

Unsere Angst war nun ein wenig gestillt und mit sehr viel Hoffnung und Vertrauen betraten wir die Gänge des Hospitals.
Wir gingen direkt zum Kreisaal mit einer Überweisung in der Hand wo draufstand: Verdacht auf frühzeitige Wehen.
Ich hatte sofortiges Vertrauen zu den Räumen. Es war sehr nett eingerichtet, alles war bunt und nicht so kalt gestaltet.
" Hallo, ich bin Ingrid," begrüßte mich die Hebamme.
" Hallo, ich bin Kerstin," leider reicht meine Erinnerung nicht mehr so weit, das ich jetzt ganz genau den Wortwechsel wiederholen kann, der ab diesem Zeitpunkt statt fand. Ich erinnere mich nur noch an Bruchstücke, aber die Bilder, den Hintergrund für diese Geschichte werde ich nie vergessen. Sie sind noch genauso klar wie damals zu erkennen, gerade jetzt, wenn man sich die Bilder wieder bewußt aufruft.
Sie bat mich meine Schuhe auszuziehen und mich dann auf eine Art Liege zu legen, was aufgemacht war wie ein gemütliches Bett.
Ich zog meinen Pullover hoch, wieder kam diese kalte Gel auf meinen Bauch und wieder wurde dieser Gürtel um ihn geschnallt, wieder wurden die Herztöne abgehört und wieder wurden die Wehen aufgezeichnet. Sie waren mittlerweile in zweieinhalb Minutenabständen, aber es war keineswegs ein Schmerz den ich nicht hätte aushalten können. Es war sowieso verwunderlich. Ingrid machte so einen vertrauten Eindruck, das ich mir innerlich sagte, jetzt kann das Kind kommen. Meine ganze Angst, die ich die ganzen Monate vor der Geburt hatte, vor den Schmerzen den sie erzeugen konnte, schien verschwunden zu sein. Sie war sehr lieb und fürsorglich und erklärte mir alles genau:
" Deinem Kind geht es nicht so gut, die Herztöne sind ziemlich schwach, aber es wird überleben. Du brauchst jetzt nur viel Ruhe."

Es war wieder eine Aussage, die mir Beruhigung verschaffte. Ich war nun ganz entspannt und lauschte den Herztönen unseres Kindes zu.
Eine Ärztin, Frau Dr. M., betrat das Zimmer . Ingrid erklärte ihr in einer Fremdwort gerechten Sprache das Ergebnis des Wehen - schreibers. Frau Dr. M. bat mich mit ihr mitzukommen. Ich zog meine Schuhe wieder an und folgte ihr. Tobias kam mit uns.
Die Wehen schienen immer stärker zu werden, aber ich war nun viel zu sehr mit dem Anblick des Ultraschallgerätes beschäftigt, das mir die Schmerzen schon fast egal waren.
Das Kind sah so süß auf dem Ultraschall aus, zu süß, zu gesund....
" Wie geht es unserem Kind," fragte ich, um mich nochmals zu vergewissern.
" Dem Kind geht es gut. Sie bekommen gleich noch eine wehenstillende Infusion und dann werden wir Sie auf die Station bringen."
Es schien alles so einfach, doch ich war froh, das es unserem Kind schon besser ging, selbst Tobias konnte mir wieder ein motivierendes lächeln zeigen.. Ich war so glücklich.
Ich zog mich wieder an. Wieder kam ich in den Raum zuvor, wieder sollte ich mich auf die Liege legen und wieder schnallte Ingrid diesen Gürtel um meinen Bauch. Alle waren ruhig um dem Herzen des Kindes zuzuhören, doch nun geschah etwas, was mein ganzes für immer Leben veränderte.

154, 130, 84, ... weg.
Ich hörte den Herzschlag nicht mehr, mein Kind, mein Baby, was war los, was war passiert? Alle kamen in Rage, alle kamen in Panik. Es ging alles so schnell, zu schnell.
Ich fühlte ein Stechen im Arm. Es wurde eine Spritze injiziert. Mein Herz begann zu rasen. Ich bekam kaum mehr Luft. Mittlerweile hatten sehr viele Ärzte, Pfleger... den Raum betreten die durch die Spritze versuchten das Kind durch meinen Kreislauf zu retten. Ich wußte nicht, was mit mir geschah, ich ringte nach Luft, versuchte so ruhig zu Atmen wie es nur ging, aber dies war so schnell vorbei, als wie es auch gekommen war.
Ich nahm die zahlreichen Ärzte erst jetzt wahr. Der doch so kleine Raum schien überfüllt zu sein. Ich bekam es mit der Angst zu tun.
" Was ist los, was ist mit meinem Kind?"
Ich bekam Panik, auf einmal war diese Angst wieder da, die ich doch nun Schritt für Schritt abgebaut hatte. Mir kam es vor als wüßten alle mehr als ich, was war mit meinem Baby los, was hatte es?
Man hörte das Herz nach diesem Eingriff wieder schlagen, sie hatten es geschafft.
" Dein Kind hatte einen Herzstillstand." Ingrid versuchte mich zu beruhigen. Mir war schlecht vor Angst. Ich ging innerlich total durcheinander. Ein Arzt, Dr. N. kam mit einem Ultraschallgerät in das Zimmer. Er wollte gerade ansetzen, als das Herz zum zweiten Mal aussetzte.
Alle Ärzte sprachen durcheinander. Sie kommunizierten nur in ihren Fremdwörtern, wovon ich nichts verstand. Ich schaute Ingrid flehend an:
" Was ist los, bitte, was ist los, was ist mit meinem Baby?"
Von dem einen Arzt hörte ich:
" Benachrichtigen Sie die Kinderklinik in Coesfeld", von dem Anderen, " Kaiserschnitt."
Ingrid sah meine Panik. Ich schaute sie an und fragte noch mal:
" Was ist mit meinem Baby, was ist los?"
" Kerstin, deinem Baby geht es ganz schlecht, wir müssen einen Kaiserschnitt machen, es muß jetzt kommen."
Nun geriet ich total in Panik. Ich hatte doch noch nicht einmal das Babyzimmer aufgebaut, es war doch noch gar nicht fertig.
Mich überkamen die Tränen. Ich sah zu Tobias der wie angewurzelt
vor Angst und Schock in der Ecke des kleinen Zimmers stand.
Nie werde ich diese Bilder vergessen, es ging alles viel zu schnell. Ich streckte meine Hände zu ihm aus ; er kam sofort zu mir und nahm mich in die Arme.
" Schnell, schnell....!!!"
Wir wurden auseinandergerissen. Ich begriff, ich handelte. Es ging um Leben und Tod. Egal was ich bis jetzt, zu diesem Zeitpunkt, in diesen Sekundenabständen von all dem behalten hatte, eines wußte ich damals genau, egal was jetzt passierte, das Kind mußte nun kommen, in der 31 SSW.
Schnell reagierte ich. Ich zog mir all meine Kleidungsstücke aus, sogar an den Schmuck dachte ich. Die Trage wurde reingeschoben. Wieder reagierte ich , legte mich so schnell es ging darauf und schon wurde ich in den OP geschoben. Während der Fahrt zog ich mir das OP Hemd über und schon lag ich unter dem hellen Licht.
Ein paar Sekunden später spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner Scheide. Einer der Ärzte hatte mir die Fruchtblase aufgestochen. Ich merkte wie mir das Fruchtwasser herauslief. Jetzt muß das Kind auf alle Fälle kommen, dachte ich, jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Die Angst wurde immer größer. Ich lag dort wie in Trance, alles spielte sich alles wie in einem Film ab.
Flehend sah ich den Narkosearzt an, der mir ein Atemgerät auf den Mund stülpte. Ich ergriff seine Hand und sagte:
" Bitte, retten Sie mein Baby, bitte."
" Bleiben Sie ganz ruhig, atmen sie tief durch."
Ich versuchte es und es schien zu klappen. Ich sehnte mich nach der Narkose, nach der Ruhe, nach dem Schlaf. Mein letzter Gedanke gehörte Tobias, der nun hilflos auf den doch aufmal kalten Gängen des Hospitals auf uns wartete, die nun nicht mehr die Hoffnung und das Vertrauen herüberbrachten, als wie es zu Anfang war.

Die Wahrheit

Durch einen nie vergeßlichen Schmerz wachte ich aus der Narkose wieder auf.
Verzweifelt begann ich mit den Händen der Ärzte zu Kämpfen, die versuchte den Rest der zurückgebliebenen Plazentareste aus meinem Unterleib herauszudrücken.
Sie hielten ein, für ein paar Sekunden herrschte Ruhe:
" Frau Kaß, hören Sie mich?" fragte mich eine Frauenstimme.
Ich nickte in meinem körperlichen Bewußtsein.
" Frau Kaß, der Kaiserschnitt ist gut verlaufen, aber ihr Kind hat es nicht geschafft." Ich verstand, was sie sagte, begriff es aber nicht, wollte es nicht begreifen. Ich bekam meine Augen nicht auf, so schien es mir. Wieder drücken die Ärzte auf meinen Unterleib. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich dagegen zu wehren:
" Bitte nicht, es tut so weh, aua, mein Bauch," und wieder versuchte ich gegen die Hände der Ärzte anzukommen, aber sie hörten einfach nicht, versuchten mich zu beruhigen, versuchten mir verständlich zu machen, das es raus mußte, aber es tat einfach zu weh um dieses zu akzeptieren. Ich hörte Tobias Stimme die sagte:
" Kerstin es muß raus, versteh doch, es muß raus"
Er hörte sich verweint an, besorgt.

Nach diesem Eingriff brachten mich die Ärzte wegen zu niedrigen HB Werten ( 6,7 ), Gerinnungsstörungen und verstärkten Blutungen auf die Intensivstation.
Von dem Transport bekam ich nichts mit, ich wachte erst später auf der Station auf und sah in das Gesicht einer Krankenschwester, die mir fremd war.
" Hallo Frau Kaß, wie geht es Ihnen?"
"Gut."
Sie schaute nach meiner Blutung und wechselte die Einlage, dann wandte sie sich zu mir legte ihre Hand auf meine Schulter und sagte:
" Wenn Sie irgendetwas brauchen, dann drücken Sie hier auf den Knopf," drückte mir diesen in die Hand, klopfte mir nochmals auf die Schulter und verließ den Raum.

Einen kurzen Augenblick war ich nun wach. Ich streckte meine Arme aus und sah drei verschiedene Nadeln, jeweils eine in den Händen und eine im rechten Arm stechen. Einige Minuten später blies sich ein Pulsmesser automatisch auf. Ich begriff sehr schnell, das ich auf der Intensivstation lag, schließlich kannte ich diese Bilder von Infusionen und Geräten von Mama, die damals kaum eine andere Station besuchte. Ich nahm allen Mut, biß die Zähne zusammen und versuchte mich zu setzten, um den Kaiserschnitt zu sehen. Zentimeter für Zentimeter tastete ich mich vor. Der Schmerz war fast unerträglich, aber der Wille war stärker.
" Frau Kaß, bitte legen Sie sich wieder richtig hin, es ist noch zu früh." Frau Dr. M. betrat das Zimmer. Ich unterbrach mein Vorhaben und befolgte ihre Anweisung.
Sie trat an meinem Bett, schaute auf den hinter mir stehenden Monitor der meinen Puls und Herzschlag aufzeichnete und fragte dann mit ruhiger Stimme:
" Wie geht es Ihnen Frau Kaß?"
Bei dieser Frage antwortete ich immer mit "Gut", obwohl mein Befinden wohl mit allem anderen vergleichbar war, als mit dieser Aussage.
Ich weiß ehrlichgesagt auch nicht mehr, was ich zu diesem Zeitpunkt dachte, oder fühlte. Ich war viel zu vollgedröhnt mit den Schmerzmitteln und den Medikamenten, das ich nur wenig von meinem Umfeld wahrnahm.
Frau Dr. M. nahm mir aus einer der schon stechenden Nadeln eine Kanüle Blut ab, von der ich aber nichts spürte. Es hört sich zwar komisch an, aber ich war froh das sie zu diesem Zeitpunkt bei mir war. Es war nun mal ein bekanntes Gesicht was mir Vertrauen schenkte, eine bekannte Stimme in diesem fremden Raum mit dem ungewohnten Geruch.

Ich redete nicht, wollte nicht reden, konnte es aber auch nicht, weil ich zu müde und schwach dafür war.
Nachdem die Untersuchung beendet war, fragte mich Frau Dr. M., ob ich den Besuch der vor der Tür auf meine Entscheidung wartete empfangen wollte. Wieder nickte ich und es traten zwei Personen ein, wonach ich mich innerlich sehnte.
Tobias und Ramona betraten das Zimmer. Ramona kannte ich schon seid Jahren; sie war einer der einzigen Freunde, die mich in meiner Schwangerschaft nicht vergaß und mich regelmäßig besuchte.
Tobias kam sofort an meinem Bett. Auch diesen Ausdruck in seinen Augen werde ich nie vergessen. Sie waren wieder mit Angst erfüllt, mit großer Trauer und Hoffnung.

Alle hatten diese Tränen in den Augen, aber ich verstand nicht, warum. Die Medikamente waren zu stark, ich begriff noch immer nicht, warum ich hier lag, obwohl mir der Grund schon einmal genannt wurde und ich die Schmerzen des Kaiserschnittes bei jeder Bewegung spürte. Ich verstand den Grund einfach nicht, ich nahm die Schmerzen und das Liegen auf dieser fremden Station mit dem unangenehmen Geruch einfach hin. Ich habe nicht mehr viel von diesem Besuch in Erinnerung, das einzige was ich noch weiß ist, das Tobias mir erzählte, das man Fotos von unserem Kind gemacht hat und das Ramona mich in die Arme nahm und sagte:
" Es tut mir leid,"
aber ich verstand wieder nicht, was sie meinte.
Ramona und Tobias blieben nicht lange, durften wie viele andere Personen vielleicht auch nicht länger bleiben.

Ich denke, das eine Menge Mut von den Personen verlangt wurde um diesen Schritt zu gehen, um ein Mädchen auf der Intensivstation zu Besuchen, was gerade ein totes Kind entbunden hatte. Ich denke, das es sehr schwer ist zu dieser Situation die passenden Worte zu finden, die Angst zu haben, etwas falsches zu sagen, sich in dieser Situation zu begeben, wenn man sie selbst noch nie erlebt hat. Ich bewundere diese Menschen, die diesen Schritt getan haben, die diesen Mut besaßen.

An diesem Tag kamen sechs Personen. Es war sehr anstrengend, weil ich noch sehr schwach war und meine Augen nur schwer offen halten konnte, aber ich war froh die Gesichter der Menschen zu sehen, die schon seid Jahren das Leben mit mir teilten.

Andreas, mein Bruder betrat einige Minuten später das Zimmer.
" Wie geht es Dir?" fragte er mich ziemlich orientierungslos.
Dies soll kein Vorwurf sein, aber kann man denn von einem Mann verlangen, das er genau wissen muß, was er sagt, wie er reagiert? Einem Mann, der soetwas noch nie erlebt hat, einem Mann den es kaum möglich ist sich in dieser Situation hineinzubegeben?
Was war es für ihn ein Gefühl seine Schwerster, seine kleine Schwester in einem Krankenhaus auf der Intensivstation zu besuchen, die gerade ihr Kind verloren hatte, für einen Bruder, der immer besorgt um mich war, der mich jeder Zeit vor anderen Leuten beschützt hätte, wenn ich in Not gewesen währe?
Kann man von ihm verlangen, das er die passenden Worte und die passende Reaktion für diese Situation findet, wobei es noch fraglich war, ob ich den nächsten Tag noch sehe, ob ich ihn noch überlebe?
Nein, das kann man nicht, aber allein seine Nähe tat mir gut.
" Bist Du mir böse, wenn ich ein wenig schlafe, ich bin müde," fragte ich, doch Andreas reagierte verständnisvoll und sagte:
" Nein, schlafe ruhig, ich bleibe aber noch."
Man hörte die Besorgnis in seinem Ton. Ich wußte noch nicht, wie es zu diesem Zeitpunkt um mich stand, vielleicht hätte ich es dann auch verstanden, das er bei mir bleiben wollte, diese Reaktion war für mich ungewohnt, so kannte ich ihn gar nicht, aber ich schlief ruhig ein, weil ich wußte, das er bei mir war, das ich nicht alleine in diesem Raum lag der beängstigend auf mich wirkte.
Ich weiß nicht mehr, wie lange Andreas bei mir blieb, da ich erst dann meine Augen wieder öffnete, als mein Vater das Zimmer betrat und weinend auf mich zukam. Er nahm mich in die Arme und fragte mich während dessen:
" Wie geht es Dir?"
" Es geht schon. Papa, mein Baby ist Tod."
Papa drückte mich fester und sagte:
" Das schaffen wir schon."

Ich sagte, das mein Baby tot sei, aber ich wußte nicht, wie ich mich verhalten sollte, ich Begriff einfach nicht, das ich auf einem Schlag keinen dicken, wackelnden Bauch mehr hatte, das schon alles vorbei war, das ich auf einem Schlag alleine war, mit einer Leere, die unbeschreiblich ist und das noch heute.

Hier kam mir der Besuch auch nicht lange vor, zu gering war mein Bewußtsein, zu gering meine Anwesenheit.
Ich schlief wieder ein.

Eine Schwester der Station kam zu mir und schaute wieder nach meinen Blutungen und wechselte wiederum die Einlage. Jedesmal wenn eine Person das Zimmer betrat, wachte ich aus meinem leichten Schlaf wieder auf, aber ich genoß die Anwesenheit ein jeder Person die mir unbewußt half nicht alleine zu sein.
Wie jeder fragte auch sie nach meinem Befinden und wie bei jedem sagte ich, das es mir Gesundheitlich gut ging.
Ich fühlte mich immernoch genauso schwach wie zuvor, egal wieviel ich schlief, aber die vielen Infusionen halfen die Schmerzen des Kaiserschnittes etwas zu lindern.
" Darf ich bitte etwas trinken?" fragte ich.
Sie schaute mich an, verzog ihr Gesicht und sagte:
" Es tut mir leid, aber ich darf dir noch nichts geben, ich hol dir Spray, damit kannst du deinen Mund etwas anfeuchten."
Sie brachte mir das Spray, verabschiedete sich und verließ das Zimmer. Ich sah ihr lange hinterher, ohne das sie es bemerkte, auch wo sie nicht mehr zu sehen war, schaute ich ihr noch nach, aus der Hoffnung sie würde zurückkommen um diese Leere zu vertreiben.
Doch wieder war ich alleine, ganz alleine, ohne einen dicken, wackelnden Bauch. Es war eine Einsamkeit die keine Grenzen kannte und ich konnte nichts dagegen tun.

Die Schwester kam nun stündlich, um den Pulsschlag und den Blutdruck dessen Manschette der sich auch in diesem Takt "aufblies", abzulesen. Jedesmal wachte ich auf, jedesmal war diese Erleichterung zu spüren ich war "nicht mehr alleine", doch wenn sie ging, schien diese Erleichterung wieder zu verschwinden.

Freitag,der 29.05.1999

Das nächste Mal wachte ich wieder früh am Morgen auf. Ich weiß nicht, wie spät es war, aber es war schon hell.
" Guten Morgen Frau Kaß, eine Frau Dörschlag ist am Telefon, soll ich ihr irgendetwas ausrichten?" fragte mich eine Schwester der Station.
" Ja, sagen Sie ihr bitte, das sie sich keine Sorgen machen soll und das ich sie lieb habe."
Frau Dörschlag ist meine Patentante, die am Tag zuvor mit meiner Oma zu diesen sechs Personen zählt die mich besuchten.
Ich ließ meine Augen jetzt geöffnet, wobei ein paar Minuten später
Dr. N. das Zimmer betrat und sofort an meinem Bett kam.
Er nahm meine Hand in seine und schaute mich mit einem Blick an der nicht so recht wußte was er sagen sollte. Er senkte den Kopf, schaute mich an und fragte:
" Wie geht es Ihnen Frau Kaß ?"
" Mir geht es gut. Was war es, ein Junge, oder ein Mädchen?"
" Es war ein Mädchen..."

Ich senkte den Kopf, schaute ihn an und sagte mit einem lächeln im Gesicht:
" Ein Mädchen......Sie haben doch Fotos gemacht bitte, darf ich ein Bild sehen?"
Er lief sofort los um das Bild zu holen. Langsam versank ich in meinen Gedanken. Ein Mädchen, es war ein Mädchen, wie sehr hatte ich mir innerlich, ganz im Geheimen ein Mädchen gewünscht, wie groß war nicht meine Hoffnung an einem Mädchen gewesen. Nun habe ich ein Mädchen, ein Mädchen der ich nie das Sprechen lehren kann, ein Mädchen, was nur in meinen Gefühlen existiert, ein Mädchen die einfach nicht leben durfte.
Dr. N. kam mit einem kleinen Foto zurück und gab mir es langsam in die Hand:
" Es tut mir leid, wir konnten nicht mehr für sie tun, es war zu spät."

Ich schaute auf das Bild. Sie sah aus, als wenn sie schlief, wie ein kleines Dornröschen, wie ein richtiges Kind. Mein Baby, meine Tochter, erst jetzt begriff ich warum ich hier lag, erst jetzt begriff ich was passiert war und erst jetzt verstand ich meine Leere die jeden Tag mehr in mir wuchs, weil ich erst jetzt verstehen konnte, das der wackelnde Bauch nicht so schnell zurückkehren wird, das ab diesem Zeitpunkt Ruhe herrscht, eine Ruhe die nicht auszuhalten war, eine Ruhe die einem verständlich machte, das es vorbei war und doch schien diese Ruhe zu schreien, weil der Schmerz in mir auflebte.
Ich konnte kein Wort mehr an Dr. N richten, zu groß war mein Schmerz, zu groß meine Enttäuschung. Ich gab ihn das Bild zurück und wendete den Blick ab von ihm:
" Es tut mir leid, aber lassen Sie mich bitte alleine."
Er verstand und ging.

Warum, warum nahm man mir gerade das was mir das positive Leben wieder lehrte, was ich liebte, was ich den Sinn des Lebens nannte.
Jessica - Annette unser Kind.

Sie werden vielleicht den Gedanken nicht verstehen können, das ich mein Kind als Sinn des Lebens ansah, ein Mädchen, das mit heute neunzehn Jahren noch alle Wege offen hat, das erst jetzt mit dem Leben beginnen sollte, aber haben Sie in dieser Zeit, in diesem Alter schon ihre Mutter und Ihr Kind verloren? Die Menschen, die man am meisten liebt? In diesem Augenblick, nachdem ich das Foto gesehen hatte entwickelte sich in mir ein Gedanke der auf Wahrheit beruht, den mir niemals jemand nehmen kann und der unwahrscheinlich wehtut und das noch heute:

" Ich bin ein Kind ohne Mutter, und eine Mutter ohne Kind, ich stehe zwischen zwei Personen und sie sind doch so weit entfernt, zu weit, das sie nicht ein Wort, nicht ein Hilfeschrei von mir hören können, das sie nicht einer dieser bedeutenden Zeilen lesen können, zu weit."

Ja, in irgendeinem Sinne bin ich noch ein Kind, ein Kind was das Leben noch erfahren muß, was trotz diesem Alter noch eine helfende Hand benötigt, aber auch ein Kind hat Gefühle, auch ein Kind weiß was der Tod bedeutet, gerade wenn man ihn immer und immer wieder am eigenen Leib erfährt, gerade ein Kind kennt dieses Gefühl, weil es sich vielfach mehr mit dem Tod auseinandersetzt, als viele Erwachsene, warum versteht keiner der Personen, das auch ich, trotz diesem jungen Alter mein Kind geliebt habe, das ich es immer noch liebe und immer lieben werde, wie jede Mutter, warum muss ich es denn immer erst beweisen?
Die ersten bewussten Begegnungen

Am Mittag kam ich auf eine normale Station, was viele Verwandte und besonders Tobias wieder aufatmen ließ, wobei er auch der erste war, der mich auf dieser Station besuchte.
Er betrat den Raum mit einer großen Unsicherheit die in seinen Augen mehr als deutlich zu erkennen war; aber was hätte man denn von ihm erwarten können?
Konnt er er denn genau wissen,wie ich nun im vollen Bewußtsein auf seine Nähe reagiere, ob ich ihn überhaupt sehen wollte, oder ob ich unsere Beziehung durch diesen Verlust nicht beendet hätte? Wir hatten zusammen noch nie einen so großen Schmerz erlebt. Wie hätte er mich einschätzen können? Ich habe ihn doch selbst nie die Chance gegeben ihn an meinen wahren Gefühlen teilhaben zu lassen, die durch Mamas tot noch immer in mir kreisten. Wie hätte er mich als einschätzen können?
Selbst ich wusste nicht, wie ich auf ihn reagieren sollte, weil mir die Situation genauso fremd war. Mich bedrückten die gleichen Ängste auch ihn noch zu verlieren, aber auch die Angst das er mir die Schuld an Jessicas Tod geben würde.

An diesem Tag begegneten wir uns somit zum ersten Mal mit ganz verschiedenen uns unbekannten Reaktionen. Die Eine, die mit Trauer, Gefühlen und Gedanken überfüllt und überfordert war. Diese war mit unbeantworteten Fragen überfüllt und drohte in uns zu explodieren. Die andere Reaktion die uns Beide keinen verwendbaren Grundstock verschaffte uns für die erste bewusste Begegnung Stütze und Halt zu sein. Wir wussten nicht, was die passenden Worte für diese Begegnung sein würden.
An diesem Tag entschieden wir nichts zu sagen. Wir nahmen uns einfach nur in die Arme und weinten.
Mir tat es sehr gut, dass er bei mir war, weil nur wir wussten, was wir verloren hatten. Nur wir wussten wie sehr wir das neue Leben liebten, wie viel Hoffnung, Freude und Liebe wir diesem neuen Leben schenkten. Nur wir wussten, wie sehr wir uns auf unser Baby, auf unser Kind, auf unser Mädchen, auf unsere kleine Jessica gewartet haben. Keiner wird dies je von unseren Verwandten nachvollziehen können. Keiner wird je verstehen können, was zwei junge Menschen nach diesem Tod empfinden, weil sich alle nur um die finanzielle Grundlage sorgten und nie die Fragen zu unserem Denken stellten. Unsere Liebe zu Jessica wurde nur von uns gelebt. Wir waren auf uns gestellt. Nur wir verstanden unsere Gefühle und nur die, die so etwas erlebt haben wissen was es heißt sein eigenes Kind zu verlieren, nie die Menschen, die bisher nur Kinder mit geöffneten Augen auf ihren Armen liegen hatten. Sie habe nie das eigene Versagen so dicht neben ihrer Seele getragen, nie dieses Gefühl in sich gehabt für den Tod des eigenen Kindes verantwortlich zu sein, obwohl man nach aussage der Ärzte nicht schuldig war, aber man redet es sich ein, weil man seinem eigenen Kind nicht helfen konnte.
Wer kann einer Mutter schon das Gefühl nehmen, wenn man immer hört: „Im Leib der Mutter fühlt sich das Kind wohl und geborgen.“
Ich konnte Jessica anscheint nicht diese Sicherheit bieten, dieses Gefühl der Geborgenheit nicht vermitteln, von daher gab und gebe ich keinem anderen die Schuld – nur mir-, denn ich habe unser Baby in meinem Bauch getragen. Ich war bei jedem Schritt den ich tat verantwortlich - nur ich! Ich kann keinem anderen die Schuld geben. Ich hätte die Hilfeschreie erkennen und spüren müssen. Ich hätte merken müssen, dass es Jessica nicht gut ging, weil sie nicht einmal mehr getreten hatte. Spätestens bei dem Einsatz der Wehen hätte ich verstehen müssen...aber nein, ich musste wieder die starke Person spielen, die keine Schwäche zeigen kann, was Jessica in diesem Fall vielleicht sogar das Leben gekostet hat. Dafür fühle ich mich verantwortlich und schuldig. Vielleicht HÄTTE sie es sonst geschafft, wenn ich früher zum Krankenhaus gefahren wäre. Ja, vielleicht hätte ich niemals dieses Buch schreiben und die Schmerzen spüren müssen, die jede Zeile meine Seele weinen lässt. Vielleicht hätte ich dann eine Tochter mit geöffneten Augen auf den Arm liegen gehabt die nach einem Jahr ihre Füße auf den Boden gesetzt hätte um eigene Schritte hinaus ins Leben zu gehen.

Vorwürfe habe noch keinem Menschen weiter gebracht, aber ich mache mir diese, obwohl es jetzt keinen Sinn mehr macht, obwohl sie mir nicht die Chance geben die Uhr zurück zu stellen. Die Gedanken jedoch sind nun mal da und ich kann sie nicht abstellen, weil die Trauer alles so unbegreiflich macht und die Suche nach dem wahren Grund für ihren Tod einfach zu groß. Es gibt keinen Grund. Es gibt keine Antwort. Ich bin dazu verdammt etwas zu akzeptieren, dass ich nicht verstehen kann.

Warum musste sie sterben, warum wurde sie mir/uns genommen?
Keiner wird mir je den wahren Grund sagen können. Das zerreißt mich innerlich.

Tobias Vater betrat das Zimmer und begrüßte uns mit einer leisen und ruhigen Stimme. Nur schwer konnte er seine Tränen vermeiden, aber egal wie schwer uns jedes Wort fiel, egal wie viel Ruhe bei jedem Besuch vorhanden war. Egal wie viel jeder von uns schwieg und egal wie jeder von uns aus eigenem Zwang versuchte die passenden Worte zu finden, keiner von uns konnte seine wahren Gefühle verschlossen halten, weil sie ein Teil von jedem waren und sie in uns schien und dadurch das innerliche Schweigen von jedem doch zum Vorschein kam.

Es klopfte wieder an meiner Zimmertür. Ingrid betrat dieses mit gesenktem Kopf und einem leichten lächeln im Gesicht. Es war wieder eines der vertrauten Gesichter. Alle diese bedeuteten mir in dieser Situation sehr, sehr viel. Alle diese waren auf mal etwas besonderes in diesem aufmal fremden Leben, in meinem aufmal fremden Denken, doch genau wie ich wusste keiner von diesen Menschen, wie sie reagieren sollten. Keiner wusste die passenden Worte und doch gab jedes vertraute Gesicht, jeder vertraute Blick, jedes vertraute Lächeln alles, was ein Wort niemals ausgesagt hätte. Jeder zeigte mir damit sein Verständnis und seinen Beistand.
„Wie geht es dir?“
„Ganz gut.“
Was sollte ich denn anderes sagen? Würden mich die Anderen denn verstehen, bei meinem Chaos im Kopf und bei meinem jetzigen Fühlen?Ich war mir unsicher, weil mir mein Denken so fremd war, weil ich mich dadurch dar nicht mehr kannte. Ingrid nahm sich viel Zeit für uns. Doch die frage nach dem „Warum“ sollte mich noch lange beschäftigen.
„Warum musste die Kleine sterben? Was ist passiert? Warum ausgerechnet sie?“
Sie schaute mich verständnisvoll an. Ich denke sie wusste das wir diese Fragen stellen würden, aber egal wie sehr sich ein Menschen darauf einstellen und vorbereiten kann, in diesem Moment, wo einen fragende, hilflose und enttäuschte Blicke anschauen, ist es für jeden Menschen schwer diese aufzunehmen und eine Antwort geben zu müssen, die keinem weiterhelfen konnte. Weder ihr, um es dem Ganzen etwas leichter zu machen, noch uns denen mit keiner Antwort dieser Schmerz, diese Enttäuschung und diese Hilflosigkeit genommen werden konnte.
„du hattest ein Plazentaablösung. Die Plazenta hat sich von der Gebärmutter abgelöst. Die Zeit gab uns einfach keine Chance, wir konnten nichts mehr für sie tun. Jessica durfte einfach nicht leben.“

Zum Ersten Mal hörte ich, wie ein anderer Mensch unser Kind mit ihrem Vornamen ansprach. Selbst ich, die Mutter, sprach immer nur mit der Bezeichnung “unser Kind“, oder „sie“, doch zum Ersten Mal hörte ich sie bei ihrem Namen.
Auf den Intensivstation durfte ich ein Foto von Jessica sehen. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass noch mehr möglich war.
„Kerstin, möchtest du Jessica sehen?“
Ich schaute Ingrid irritiert an. So etwas war möglich? Aber irgendein Gedanke ließ mich trotz allem stocken. Ich wusste nicht genau, ob es richtig sein würde Jessica auf den Armen zu halten, doch ich entschied mich für das JA. Ich wollte wenigstens einmal das Gefühl haben eine Mutter zu sein. Wir hatten doch nun schon so lange darauf gewartet. Warum sollte ich meine eigene Tochter verneinen, wenn ich sie liebte und mich schon jetzt nach ihr sehnte. Nie werde ich dieses Gefühl vergessen, nie dieses Schweigen was in meinem Körper und in meiner Seele herrschte, nie diese unbarmherzige Stille, nie diese schmerzhafte Bestätigung für das, was geschehen war, denn von nun an war es ein Teil von mir, ein Teil meiner Selbst, ein Teil was ich nie besitzen wollte, eine Erfahrung die keiner will und doch war ich erst am Anfang von dieser, am Anfang wo ich das erste Mal unsere kleine Jessica – Annette auf den Armen halten durfte.

Ingrid kam nach einiger Zeit wieder und betrat den Raum mit einem Bündel weißer Handtücher auf den Arm gelegt mein Krankenzimmer. Schon jetzt konnte ich meine Tränen nicht mehr halten. Ich wusste, dass es mein Kind war, dass sie auf ihren Armen trug und ich wusste, dass mein Kind tot war.
Wie lange hatte ich auf diesen Moment gewartet, aber dieser entsprach nicht meinen Vorstellungen die ich die ganze Zeit erhofft hatte.

Ingrid kam langsam auf mich zu und legte mir Jessica behutsam auf meine Arme. Ich drückte Tobias Hand fester, denn das war das einzige, was mir Mut gab.
Langsam deckte Ingrid das mit Handtüchern bedeckte Gesicht auf.

„Sie schläft nur,“ dachte ich, „mach deine Augen auf und Schrei...., öffne doch deine kleinen Augen und gib mir ein Zeichen, dass alles nur ein böser Traum ist...“, aber sie tat es nicht.

Die kleinen Augen blieben geschlossen. Der winzige Mund war nicht in der Lage einen Ton von sich zu geben.

„Bitte gib mir ein kleines Zeichen,...mach doch deine Augen auf, ...geh nicht weg,....ich liebe dich doch,....verlass mich nicht, wir haben doch noch so viel vor uns,“ aber alle Gedanken waren umsonst.

Den einzigen Satz den ich an diesem Tag laut zu meiner Tochter aussprechen konnte war:
„Du hast mir so manch unruhige Nacht gekostet,“ und ich weinte wie ich kaum zuvor geweint hatte, schaute in ihr kleines Gesicht und verstehe bei den jetzigen Erinnerungen an damals immer noch nicht, warum man mir auch das nahm.

Egal wie viel vertraute Menschen ich um mich hatte, keiner von diesen wusste einen passenden Satz zu sagen und ständig kamen Gedanken auf wo ich mich fragte:
„Warum ich, warum mein Kind, warum kein Anderer?“

Auch ich hatte diese Gedanken und doch habe ich nicht einmal meinm schlimmsten Feind diese Gefühle gewünscht, denen ich nun ausgeliefert war. Ab und zu schwirrten mir bei manchen Menschen die Gedanken durch den Kopf: „Sei du nur ein Tag in meiner Situation, in meinem einsamen Ich,“ weil diese Menschen meine Gefühlswelt einfach nicht verstehen konnten und nicht verstehen wollten. Denen habe ich innerlich gewünscht nur einen Tag lang in meiner Situation zu sein, weil ich so enttäuscht über ihre Reaktionen und Äußerungen war. Ich schämte mich jedoch bei diesen Gedanken, aber Gefühle sprechen die Sprache der Wahrheit, ohne Rücksicht, denn man muss seine Gefühle immer erst beweisen, immer beschreiben, damit die Menschen einen überhaupt zuhören. Doch es sind nicht ihre Kinder die sie tot auf den Armen halten, sondern unsere.

Ganz sanft streichelte ich ihre Wangen, ihren Mund, ihre Stirn, ganz sanft, aus Angst ich könnte ihr weh tun oder sie verletzen.
„Jetzt mach die Augen auf und Schrei, bitte“, aber nein, es war eine ruhe die unerträglich war, eine Leere die aussichtslos und kalt war, eine Hilflosigkeit ohne Ausweg.
Sie lag in meinen armen wie ein kleines schlafendes Dornröschen. Ich war stolz auf mein Kind, auf diesen kleinen Körper, auf dieses süße Aussehen. Auch Tobias strich sanft über ihren kleinen mit schwarzen Haaren bedeckten Kopf. Richtige kleine Locken hatte sie schon, süße zerbrechliche Fingernägel. Es war alles da, alles was einen Menschen ausmacht, alles was für mich unverständlich war, warum sie nicht leben durfte und nicht leben darf.

Gunter, Tobias Vater lief unverständlich durch den Raum und weinte bitterlich, kam zu meinem Bett zurück, streichelte über ihre Wangen, schüttelte den Kopf, schaute auf ihr kleines Gesicht und dann wendete er sich ab um wieder durch den Raum zu laufen und die ohnmächtige Reaktion zu wiederholen.
Tobias ging zu seinem Vater und nahm ihn fest in die Arme. In dieser Situation schaute ich Jessica ins Gesicht und dachte:“ Siehst du nicht, wie du uns schon jetzt fehlst? Bitte öffne doch deine Augen, lass uns aus diesem Traum erwachen.“
auch Ingrid stand verzweifelt neben unserem Bett, schaute auf die Flamme der Kerze die sie schon zuvor für uns und Jessica angezündet hatte.

An diesem Tag war Jessica circa eine halbe Stunde bei uns und diese Minuten haben wir alle „genossen“, weil wir genau wussten, dass diese Momente nicht für die Ewigkeit vorhanden waren, sondern nur für zwei kurze Momente, in denen wir die Möglichkeit hatten alles von unserem Kind genau einzuprägen.

Samstag, 30.05.1998

Auch der nächste Tag gab uns die Möglichkeit dazu an dem wir unser Stolz noch mal auf den Armen halten durften, an denen wir Jessica noch mal unsere Liebe schenken konnten und unsere Trauer gelebt werden durfte. Dieser Tag jedoch sollte der Letzte sein, an dem wir Jessica liebkosten und umarmten. Es war der Tag des Abschieds an dem wir sie für ihr ewiges Bett kleideten.
Gemeinsam zogen wir ihr einen kleinen Strampler an, worauf ein großer Teddy abgebildet war. Behutsam setzte Tobias ihr die rote Mütze auf und ein kleiner weißer Pullover sollte ihr an den Armen in diesem ewigen Bett Wärme spenden.

Auch bei den heutigen Erinnerungen an diesen Moment kann und möchte ich mir nicht die Frage nach dem „Warum“ verkneifen, weil ich einfach nicht verstehen kann, warum Gott einem kleinen Menschen, unserem kleinen Kind das Leben verbot.
Was hatte sie nur getan?
Was hatten und haben wir getan?

Wieder Fragen die keine Antwort kennen, wieder die gleichen Fragen die immer ohne Antwort bleiben werden. Ich musste Jessica abgeben, loslassen, für immer.
Die Gedanken daran schmerzen, jedes Bild was mir jetzt in Erinnerung tritt setzt eine große Sehnsucht in mir frei. Wie gerne hätte ich sie nur noch einmal auf meinem arm, könnte sie mir ansehen und dürfte sie spüren. Einmal nur wieder das Gefühl zu haben, dass sie nicht in dieser Endlosigkeit ist, sondern dort, wo ihr Zuhause sein sollte, auf unseren Armen, bei ihren Eltern.

Der letzte Abschied war schwer, die letzten Momente, wo wir Jessica auf unseren Armen tragen durften.
Meine Oma besaß die Kraft später mit meiner Cousine Annette in die Pathologie zu gehen, um sie in die Arme zu schließen, um ihr und uns zu zeigen das sie Jessica in ihr Herz aufnimmt, das auch sie zur Familie gehören wird. Aus Annettes Erzählungen heraus weiß ich das Oma sie auf den Armen nahm, sich hinsetzte, um sie weinte und sie segnete. Sie war damals 84 Jahre alt. Ich danke ihr für das Gefühl das ich heute in mir trage, denn ich bin stolz auf diesen Menschen der den Mut und die Kraft besaß sich von ihr zu verabschieden, das Gefühl, das Jessica auch in anderen Herzen weiterleben darf und nicht nur in dem Meinigen. Oma und ich hatten schon immer ein sehr gute Beziehung, wir verstanden ein jedes Mal unsere Gefühle und unser Empfinden und egal was war, ich wusste das sie mir immer verzeihen und zu mir halten würde. Oma hatte damals sehr geweint als sie von meiner Schwangerschaft erfuhr, doch sie stand voll und ganz hinter mir und freute sich auf ihr „Urenkelin“; doch diese konnte nicht schreien....
Oma und Annette waren die Einzigen aus meiner nahen Verwandtschaft die versuchten in diesem kurzen Augenblick in meinem neuen Leben zu sein, sich Fragen zu stellen, auf denen es keine Antwort gab, dafür möchte ich ihnen Stolz und Dank sagen.

Die Eltern meines Vaters kamen mich an diesem Tag besuchen, meine Großeltern. Ich werde die Begrüßung von meinem Opa nie vergessen. Er kam zu mir ans Bett, nahm meine Hand in seine, schaute mir nur kurz in meine Augen und weinte.

Er tat mir leid, alle Menschen die in diesem Raum um meinem Bett herum saßen, taten mir leid, denn ich fühlte mich schuldig für ihr Empfinden, für die Gedanken, weil mein Körper nicht die Geborgenheit gab, weil mein Körper sich von ihr löste.
Ich sah in die Augen eines jeden, die einen die mich und die Situation bedauerten, die Anderen, die das ganze für das Beste hielten, denn schließlich waren wir in ihren Augen ja zu jung.
So oft viel an diesem Tag wieder der Satz:
„Du bist noch so jung.....“
Ich mag diesen Satz nicht mehr, ich habe ihn noch nie gemocht und ich möchte ihn jetzt auch gar nicht mehr ausschreiben! Ich wollte wieder mal nicht die vielen Kinder die mir das Leben noch bieten oder geben könnte nein, ich wollte nur mein kleines schlafendes Dornröschen. Man verstand mich einfach nicht. Ich denke nach wie vor, das mich keiner dieser Sätze bewußt treffen sollte, aber sie taten mir verdammt weh.
Die wertvollste Begrüßung war zu diesem Zeitpunkt die meines Großvaters, denn er tat genau das, was ich nicht mehr konnte, er weinte und zeigte mir somit seine Stärke, indem er keine bedenken hatte vor mir zu weinen.

Mein Herz schrie, doch ich schien es nicht zu verstehen, denn keine Träne rollte über meine Wangen, all diejenigen die da waren begann ich zu motivieren; ich weiß nicht woher ich diese Kraft nahm, aber ich tat es. Ich spielte unbewusst einen Menschen der ich nicht war, tat so, als ging es mir gut aus Scham, aus Angst man würde mich nicht verstehen und aus Angst vor der Wahrheit verkroch ich mich in meiner Kinderseele, in diesem aufmal erwachsenen Denken und dem Wunsch Mama währe da, könnte mich halten, mich vor diesen Gefühlen die mich so beängstigten und mir Angst machten, beschützen. Wie oft und wie sehr fehlte mir nicht ihre vertraute Stimme, ihre warmen Umarmungen und ihre Sicherheit die sie mir so oft gab. Ich hatte den Wunsch nur einmal wieder auf ihren wohl behüteten und geborgenen Schoß zu fallen. Ich fühlte mich so klein, so verletzlich, schwach.... ausgeliefert.
Wie sehr haßte ich es an diesen Tagen im Rampenlicht des Mitleides zu stehen.
Ich wollte nicht reden, denn es gab mir doch nichts zurück. Alles was ich dachte blieb mir einfach fremd, es wurde nicht vertraut und blieb in dem meinigen Prozeß gefangen dem:
„Wahrhaben und nicht wahrhaben wollen,“ und es schien mich zu ersticken. In mir reiß alles auf, auf einen Schlag, das Kind in meiner Seele die nach ihrer Mutter schrie und die Mutter in mir, die nach ihrem Kind flehte und ich sah in diese Gesichter, in dieses Mitleid und hatte solche Angst.

Während meinem Krankenhausaufenthaltes wollte ich keinen Besuch von meinen Schulkollegen empfangen, die mit mir zusammen die Ausbildung zur Kinderpflegerin besuchten. Eine „Freundin“ aus meinem Kurs gab mir über die Hände der Stationsschwestern fünf langstielige, rote Rosen, ein Plüschtier und einen Brief. Ich hatte nie viel mit ihr zu tun gehabt und freute mich aus diesen Gründen sehr darüber und vor allem, über ihren Wert den sie mir schenkte. Das Plüschtier hatte ihr in den schweren Stunden sehr zu Seite gestanden, wie sie es mir in dem Brief erzählte. In diesem stand aber auch noch ein anderer Satz dessen Bedeutung ich erst viel später verstand:
„Dir werden Menschen zur Seite stehen und helfen von denen Du es am wenigsten erwartet hättest.“
Ich war immer in dem Glauben ich würde genug Menschen kennen, doch hinterher wurde mir der Unterschied Freunde und vertraute Freunde immer deutlicher, denn wie viele vertraute Freunde hat ein Mensch? Die, worauf er sich jederzeit verlassen kann, die jederzeit für ihn da sind?......Wie viele?
Ich war selber noch jung und konnte somit nicht erwarten das ich Menschen in meinem Alter finde die mich verstehen konnten, die selbst alle noch ihrer Ausbildung folgten und die Kinderplanung noch weit vor sich hatten. Hier konnte ich also nie auf Verständnis stoßen wollte es auch nicht, weil ich wußte das ich sie mit meiner Geschichte überfordert hätte.
Monika, meine Schulkollegin, verstand mich anscheinend, und auch wenn wir uns kaum kennen, wenn wir kaum etwas von einander wissen und wir uns bis heute noch fremd sind denke ich, das wir an diesem Tag ganz eng verbunden waren, und da, an dem Tag wo mir bewußt wurde was vertraute Freunde sind dachte ich an diesen Satz zurück und kann auch heute noch sagen:
„Monika, Du hattest recht!“

Meine Familie war gegangen. Ich weiß nicht wirklich, ob ich froh darüber war, ob mir diese Ruhe nun gut tat, denn an diesem Tag hatten wir uns entschieden, das es der Letzte war, an dem wir Jessica sehen wollten und dieser Gedanke, die Bilder der letzten Begegnung, zerrten an meiner Seele.
Was wollten wir ihr nicht alles geben?

Dienstag, der 2.06.1998

Für uns war von Anfang an klar das Jessica einen richtigen Abschied, einen Platz auf dieser Erde bekommen sollte wobei Ramona uns eine große Stütze war, die die ganze Beerdigung zusammen mit Tobias organisierte. Im Krankenhaus war mir dies schlecht möglich und trotz dessen war alles so, wie ich es mir vorstellte und mir Jessicas letzten Weg wünschte.
Jessica lag nun in der Leichenhalle. Meine Patentante und mein Onkel begleiteten Tobias und mich zu dem Ort der Wahrheit.
Wir betraten das Haus der Stille, das Haus in dem nur noch die Hüllen der verstorbenen Menschen liegen. Die Vorhänge eines jeden Fensters waren zugezogen.
„Kind Kaß,“ stand auf einen der Zetteln an der Wand.
„Kind Kaß,“ sagte ich, „mein Kind hat einen Namen, warum haben sie nicht uns zu liebe „Jessica“ dort hingeschrieben? Warum schreiben sie KIND KAß? Nur weil sie keinen Atemzug aus meinem Bauch heraus gemacht hat, deshalb verdient sie keinen Namen?“
Ich war enttäuscht, erschrocken, wütend und voller Trauer. Wir drückten auf einen Knopf, das Licht hinter dem Fenster ging an, der Vorhang bewegte sich und gab uns den Einblick der uns zuvor noch verborgen blieb.
Meine Tränen liefen unkontrollierbar über meine Wangen, da war er, der Anblick, vor dem ich mich am meisten fürchtete, der Anblick, der die Wahrheit kannte.
Ich schrie und weinte:
„Nein, nein, warum, nein, er ist so klein, warum, nein...?“
Ein zerbrechlicher, unerfahrener, weißer kleiner Sarg stand vor unseren Augen, höchstens ein Meter lang, mit einem kleinen Kreuz auf des Sarges Rücken.

Ich verstand, ich schrie, ich weinte, ich war außer mich und im nächsten Moment war ich wieder die starke Person; meine Tränen verschwanden und ich stand dort, wie all die verstorbenen Menschen in diesem Raum, wie eine Hülle, aber eine Hülle in dem ein Herz schlug, wobei es bei diesem Anblick nicht mehr schlagen wollte.

Nie wollte ich dieses Ziel erreichen, ich wollte ihr das Leben schenken und nicht den Tod, doch irgend Jemand hatte sich anscheinend entschieden, ohne Rücksprache mit uns zu halten, sie durfte einfach nicht leben.
Vielleicht hat dieser Jemand uns auch nicht zugetraut das wir es schaffen, mit einem Unterschied den uns die Menschen hier gaben: Dieser Jemand hat uns die Chance genommen es zu beweisen!!!

Ich verließ die Aufbarungsstätte mit einem groben Schmerz, denn ich verließ mit jedem Schritt den ich tat genau das was ich liebte....

Ja, Worte und Gefühle eines achzehnjährigen Mädchen das erwachsen geworden war, von einem Augenaufschlag zum nächsten, denn mich beschäftigten Gefühle und Gedanken, die kaum ein jemand in meinem Alter hatte und vielleicht auch bis zum normalen Alterstod, keine Frau erlebt und gehabt hat.
Ich war meiner eigenen Welt ausgeliefert und kam mir so allein vor, so hilflos und klein, mit einer leere im Bauch und dem Wunsch, ich könnte aus dem Alptraum erwachen, ...., doch es war kein Traum, sondern mein jetziges Leben. Ich hatte es gelernt es von diesem Tag an zu hassen.
All mein Sinn, all meine Liebe lag in diesem weißen Sarg den ich zurücklassen müßte. Das Bett meines kleinen Mädchens, wofür mein Herz noch heute schlägt.

Samstag, der 6.06.1998

Der erste und letzte Weg
Tobias holte mich aus dem Krankenhaus ab, damit ich mich entsprechend für die Beerdigung anziehen konnte, für unsern heutigen letzten Abschied, für Jessicas ersten und letzten Weg. Mit einem Rollstuhl durfte ich das Krankenhaus verlassen.
Ich betrat mein vertrautes Heim.
Mit wie viel Hoffnung hatte ich es verlassen?
Was hatte der Mensch jetzt in sich, der jetzt aus seinem Rollstuhl, auf den Füßen, in diesem Gemäuer stand?
Ohne das ich mir bewusst darüber war, ging ich in das vorgesehene Kinderzimmer, fiel auf die Knie als ich all das Spielzeug sah und weinte. Ich sah auf das Gestell von Fisher Price, an dem das Spielzeug herunter baumelte und wusste das es mein Kind nicht mehr zum Lachen bringen wird. Langsam kroch ich darauf zu, stellte es an und es erklang die Melodie, die kleinen Birnen leuchteten im Takt mit dieser in ihren verschiedenen Farben.
In mir war solch ein großer Schmerz, solch ein riesiger Schmerz. Es tat so weh dieses Spielzeug zu sehen, was mich jederzeit so mit Stolz erfüllt hatte. Tobias kam und schloss mich in seine Arme, doch selbst diese stillten nicht meinen tosenden Schmerz.
„Warum, warum mein Baby, mein Baby...“ weinte ich, und auch er begann zu weinen, half mit auf meine Beine und verließ mit mir den Raum.
Wieder machte sich in meinem Körper diese spielende Stärke breit, die Tränen schienen wiedermal von einem auf den nächsten Augenblick abgestellt zu sein und wie in Trance holte ich eine blaue Schwangerschaftshose, ein weißes Hemd und einen dunklen Blaser aus meinem Schrank, der noch im Kinderzimmer stand.
Während ich mich umzog betrachtete ich meinen Kaiserschnitt, ich begriff immer mehr und um so mehr ich begriff, um so schmerzender schlug mein Herz das sich sehnte. Wieder merkte ich, das ich alleine war, das dieser Bauch sich nicht mehr bewegte. Ich war leer, einfach nur leer und doch so voller Trauer, die nicht mehr wußte wo sie noch hinsollte.
Wir haben uns für Jessicas Beerdigung die größte Mühe gegeben, weil wir wußten das dies das Letzte ist was wir für sie tun konnten. An dieser Stelle möchte ich mich bei meiner Patentante und meiner Oma bedanken die uns ermöglichten unser Kind zu beerdigen. Sie gaben uns das nötige Geld, die finanzielle Unterstützung und konnten unserer Tochter einen Ort der Stille und Ruhe schenken die nicht auf Raten abbezahlt werden mußte. Danke das ihr uns den Ort zum trauern geschenkt habt, vielen Dank!!!
Ich, die im Rollstuhl saß und Tobias der mich schob, betraten den Friedhof. Tobias fuhr mich zu ihrem Grab, indem sie schon in dem kleinen weißen Sarg lag, in dem Bett, indem ein jeder von uns einst liegen wird. Ich sah in die Tiefe und hatte kein Gefühl mehr in mir, kein einziges. Ich sah auf die weißen Rosen, die ein jeder, der wollte, in ihr Bett geben konnte und sah auf ihren Kranz, auf die Schleife wo drauf stand:
„Für unsere kleine Jessica - Annette... in Liebe Mama und Papa.“
Ohne Worte sahen wir in dieses Loch, ins Erdenreich. Wieder wurde uns bewusst das es unser letzter Abschied sein würde. Wir entschieden uns zum Haupteingang zu „gehen“, wo unsere Verwandten auf uns warteten. Ich wollte nur das diese kamen, lud keine weiteren Bekannten ein, nur Tobias und meine Familie, es reichte mir vor ihnen als Versager dazustehen....
Ihnen allen, die zuvor noch sehr gesprächig schienen, fehlten jetzt die Worte als sie mich im Rollstuhl und Tobias, in seinem dunklen Anzug der mich fuhr, von weitem sahen.
Von jedem Einzelnen wurden wir begrüßt und auch der Pastor war da, denn schließlich hatten wir Jessica katholisch Notgetauft ( direkt nach dem Kaiserschnitt ). In dieser Runde, direkt an dem Eingang des Friedhofes, machte der Pfarrer seine christliche Andacht., Worte an die ich seid Mamas Tod nicht mehr glaube, von einem hohen Wesen, einem Gott, der mir wieder etwas nahm was ich liebte, eine Andacht, wovon ich heute kein Wort mehr in meiner Erinnerung behalten habe. Geschlossen, der Pfarrer voraus, wir hinter ihm und danach unsere Familien, gingen wir zu Jessicas Grab. Wieder wurden christliche Worte gesprochen, sie wurde gesegnet und es wurde nochmals für sie gebetet. Die Predigt war beendet. Ruhe.
Tobias weinte krampfhaft.
Ich blickte auf ihr Grab, setzt meine Füße auf den Boden und hörte wir die Menschenmenge durch mein Handeln anfing zu weinen. Ich stand auf, bückte mich, den Kaiserschnitt haltend, nach den Rosen, nahm drei von diesen und warf sie so sanft es ging auf ihr Sarg. Ich verkniff mir ein krampfhaftes weinen, ließ gezwungen durch meine Gefühle nur nach und nach eine Träne fallen und nahm Tobias in die Arme, versteckte ihn in diese, damit er seiner Trauer ein Zeichen geben konnte. Ich sprach in mein Herz zu Jessica:

„ Mein liebes Kind, auch wenn Du nun die Grenze der Ewigkeit überschreiten wirst, eine Grenze, die für uns unsichtbar ist, sollst Du wissen, das ich Dich in Ewig lieben und nie verleugnen werde. Habe keine Angst mein Kind, ich werde immer bei Dir sein und mein Herz wird immer für Dich schlagen. Ich muss Dich gehen lassen, doch immer wirst Du in meinen Gedanken Platz finden, denn Du warst mein Sinn, mein Leben und meine wahre Liebe, vergiß das nie. Setz Dich in den Schoß meiner Mutter und glaube mir, sie gibt Dir das, was Du brauchst, denn auch sie wird dich lieben. Lebe wohl mein Engel.

Zu Mama betete ich:

„Bitte Mama, gib ihr die Liebe die ich für sie in meinem Herzen trage, gib ihr die Freude, die sie mir gegeben hat und hilf ihr bitte ihre kleinen Füßchen auf den Boden zu setzen, ihn zu spüren und ihn zu lieben.
Mama, wenn Du mich hörst, dann kümmere Dich bitte um mein Kind, nimm es fest in die Arme und sage ihr bitte, das ihre Mama sie liebt.
Sie soll die Sonne sehen Mama, die Sterne, das Licht, bitte hilf ihr, hilf mir. Du fehlst mir.“

An diesem Tag verließen zwei jung Menschen, zwei Teenager, wie der Volksmund sagt, den Friedhof mit Stille, mit schreiender Stille. Ab diesem Tag war Jessica, wie viele andere, ein Grab unter vielen, ein kleines Fleckchen Erde, alles was uns mit ein paar, wenigen Bildern und Erinnerungen von den zwei Momenten in dem sie in unseren Armen lag blieb.
Unsere Schritte waren schwer, es waren nicht die Schritte zweier Teenager nein, es waren die Schritte zweier Kinderseelen in einem erwachsenen Leben, dessen Kampf erst jetzt begann.

Manchmal scheint die Welt in einem größer, als die Welt um einen herum und nach meinem damaligen Empfinden möchte ich behaupten, das sie es auch war, denn nie zuvor hatte ich so an meinem Leben gezweifelt, als wie nach Jessicas Tod.
Ich wurde am 8.06.1998 aus dem Krankenhaus entlassen und war gezwungen mit meinem Leben zurecht zu kommen, was mir aber nicht gelang. Nie wollte ich wieder den gleichen Fehler machen, als wie nach Mamas Tod. Ich wollte offen über meine Gefühle und Gedanken reden, offen zu meiner neu entstandenen Welt sein, doch es gelang mir höchstens zwei Wochen, dann versteckte ich mich wieder in mein Schneckenhaus und errichtete mir somit meine eigene, unsichtbare Fassade, wobei ich keinem Menschen erlaubte diese zu durchbrechen.
Jedes Gespräch machte mir Angst, jeder Blick der mich durchdrang verunsicherte mich. Ich ließ meine Trauer auf anderen Wegen deutlich werden, indem ich Gedichte und Lieder schrieb, indem ich malte und aus Salzteig zu formen begann, doch ich sagte kaum ein Wort.
Am 1.08.1998 zogen wir in einen anderen Ort, nicht weit entfernt von dem, indem wir zuvor wohnten. Die andere Wohnung war für uns nicht mehr finanzierbar, denn 68 m² kosteten uns warm 1125 DM.
Auch meine Ausbildung ging in diesem Monat weiter und ich besuchte nun die Oberstufe der Kinderpflegeausbildung. Ich merkte schnell, das die Realität etwas von mir verlangte, was ich nicht stand halten konnte. Die innerliche Uhr eines Menschen tickt nun mal langsamer, als wie die Uhr der Realität, so auch bei mir. In dem vorherigen Jahr, der Unterstufe, war ich Klassenbeste. Drei Einsen, und den Rest Zweien kleidete mein Zeugnis, doch nun zwang ich mich zu jedem Unterricht. In meiner Stufe war noch ein Mädchen die schwanger war. Sarah war eine Woche weiter wie ich und gebar am 30.07.1998 einen gesunden kleinen Jungen. Mein Gefühl des Versagens wurde nicht weniger und dieses Gefühl machte mich wertlos, ich wurde mir immer wertloser und gönnte mir nichts mehr. Es begann die Zeit in dem ich Nahrung aufnahm und sie direkt nach der Aufnahme wieder erbrach, denn alles was weh tat verdiente ich. Ich konnte keinen Bauch mehr an mir sehen, weil er mich an die glücklichen Stunden mit Jessica und gleichzeitig auch an das unglückliche Ende erinnerte.
Ich hängte fünf Postergroße Fotos von Jessica auf, alle Bilder die ich malte und alle Gedichte die ich schrieb wurden wie eine Art Tapete an die Wand geheftet um meine Gefühle herauszulassen.
Es schienen tausend helfende Hände auf mich zuzukommen, doch ich wußte nicht, wie ich diese annehmen sollte.
Wie sollte ich den Menschen zeigen wer ich bin, wenn ich es selbst nicht einmal wußte?!
Ich nahm zusehnlichst ab. Im August wog ich noch 75 kg und nahm bis hin zum November 15 kg ab. Einer Lehrerin meiner Ausbildung fiel mein Zustand auf, Beate.
Ich nenne hier sofort bewusst die Vornamen, um diese Menschen einen Schutz bieten zu können, bitte Sie hier wieder um Verständnis...
Nach der Unterrichtsstunde Didaktik-Methodik bat sie mich zu sich und fragte:
„ Kerstin, was ich mit Dir los, ich habe den Eindruck, das Dich etwas sehr beschäftigt,“ ihre Augen, ihre Stimme, ihre Hände,... sie war wirklich besorgt.
„Nichts,... es hat keinen Sinn,... es ist schon in Ordnung,... ich möchte nicht reden,...Sie verstehen mich eh nicht...“ entgegnetet ich und ich konnte wirklich nicht reden, ich konnte dieses Durcheinander in meinem Kopf nicht soutieren und wußte nicht wo ich anfangen sollte zu erzählen. Ich ließ sie in ihre Sorge stehen und ging mit dem Satz den ich bestimmt zehn Mal in diesem kurzen Gespräch wiederholte:
„Es hat keinen Sinn...“
Als ich an diesem Tag aus der Schule nach Hause kam ließ mich ihr Ausdruck nicht in Ruhe und ein schlechtes Gewissen bedrückte mich, denn sie gab mir das Gefühl das sie ein ehrliches Interesse hatte um zu erfahren was mit mir war. Gut, ich entschied mich einen ganz, ganz kleinen Stein aus meine Fassade zu lösen und gab ihr an dem darauf folgenden Tag dieses Schreiben was ich 8 Wochen nach Jessicas Geburt für mich schrieb:

Jessica - Annette, so hatten wir unser Baby genannt, so hatten wir um ihr Leben gekämpft und doch war dieser Kampf so sinnlos und ohne Grund.
Ich weiß noch, wie ich die Zeit, die Schwangerschaft genoß; das Strampeln im Bauch, die kleinen Fortschritte die ich täglich spürte und wahrnahm. Ich liebte dieses Gefühl nie alleine zu sein. Mit viel mehr Liebe und Stolz ging ich meinen Hobbys nach, meine Träume und meinen Gedanken. Ich war wie ein aufgeladenes Energiefeld, hatte zum ersten Mal das Gefühl das es aufwärts geht, aber alles dies sollte nie so schön werden wie ich es mir erwünscht und erträumt hatte.

Ich habe das Gefühl als Mutter versagt zu haben. Ich weiß, das mich keine Schuld an Jessicas Tod betrifft, aber schließlich hat mir mein Baby vertraut. Ich werde einfach dieses Gefühl nicht los. Man sagt doch immer im Bauch der Mutter fühlt sich das Kind wohl und geborgen. Ich konnte meinem Kind diese Sicherheit anscheint nicht bieten. Ich wollte ihr doch soviel Liebe schenken, ihr alles geben. Mein Herz schreit bei dem Gedanken, das ich ihr nur ein Beet mit Blumen geben kann, die im Laufe der Zeit verblühen werden. Durch Mamas Tod weiß ich, das sich auch daran nie etwas ändern wird.
Ich habe das Leben täglich in mir gespürt, ich habe mit diesem Leben gespielt, es lieb gewonnen, doch als ich meine Augen nach der Narkose wieder öffnete war mein Bauch leer, kein Leben bewegte sich mehr darin. Mein Bauch war flach und ausgeschabt, einfach leer. Ein toter Leib der auf meinen Armen lag war alles was von unserem Kampf, unserer Hoffnung und unseren Träumen übrig geblieben ist.
Ich weiß nicht genau was ich fühle, oder empfinde; ich fühle mich einfach wie mein Bauch.
Wenn ich heute das Spielzeug betrachte, was wir für Jessica gekauft haben weiß ich, dass nie eine Kinderhand mit dem Namen Jessica - Annette damit spielen wird, das sie niemals die Knöpfe, die die Melodie des Spielzeugs erzeugen, finden wird, und das in der kleinen lila Badewanne, die dort doch schon so lange stand, nie ein zerbrechlicher Körper mit diesem Namen baden wird.
All die Sachen die wir verzweifelt ausgeliehen und gesammelt haben werden in die Hände des Besitzers zurückgehen, ohne das ein Kind mit diesem Namen die Sachen gesehen und benutzt hat, es wird alles ungebraucht und zwecklos wieder in die Hände des Besitzers zurückkehren, der uns diese Sachen zur Hilfsbereitschaft und für einen guten Zweck gegeben hatte, und das tut weh.

Aus Jessicas Mund werde ich nie ein Lachen hören können, ich werde nie erfahren was aus ihr geworden wäre, werde sie nie bei ihren ersten Gehversuchen stützen können, und dabei wollte ich nie etwas anderes wie eine gute Mutter sein, doch diese Aufgabe wurde mir von einem Augenaufschlag zum nächsten genommen.
Ich wollte nie jemanden etwas beweisen, aber ich weiß das ich es geschafft hätte Jessica das Leben zu zeigen und sie darauf vorzubereiten.
Für mich war es auch einfach nur schön zu wissen, das Tobias und mich nun auch noch etwas anderes bindet als „nur“ die Liebe; doch dieses Kind was uns verbunden hat wird nun für immer fern bleiben, es wird ein Grab unter vielen sein, und selbst die hellste Blume darauf wird uns nie die Freude bereiten, die uns ein Kinderlachen gegeben hätte.
Auch wenn Jessica Behinderungen gehabt hätte, wäre sie unser ganzer Stolz gewesen, obwohl ich auch froh darüber bin, das ihr solch ein Leben erspart geblieben ist.

Ich bin oft am Zweifeln was mir das Leben noch bringt. Mein Leben war bis jetzt nur ein ständiger Kampf, ich weiß nicht wie lange ich diesen Kampf noch standhalten kann, selbst der beste Krieger wird irgendwann müde. Durch Jessica hatte mein Leben wieder einen Sinn bekommen, ich hatte wieder eine Aufgabe, doch nun bleibt mir nur noch der Kampf mit mir selbst.
Tobias ist mir dieser Kampf wert. Ich ziehe mich noch ziemlich an ihn hoch, in diesem Punkt habe ich die Hoffnung noch nicht verloren, das vielleicht irgendwann doch noch alles gut wird, aber ich habe Angst das ihn die äußeren Einflüsse von außenstehenden Personen irgendwann so beeinflussen, was unserer Beziehung schaden könnte.
Tobias gehört mein „Ja“ - Wort und mein Versprechen, zwar noch nicht jetzt, aber tief in meinem Herzen gehört es ihm, bis ich die Reife und den Mut besitze es auszusprechen, doch vorerst müssen wir durch einen Kampf von Trauer, der schwerer wird von Tag zu Tag.
Ich habe Angst das unser Kind in Vergessenheit gerät oder als nie akzeptiert oder wahrgenommen. Viele Menschen sind sich gar nicht bewusst, dass sie Opa oder Onkel trotz ihrem Tod sind. Es ist so, als hätte Jessica keinen Platz in ihren Köpfen gefunden. Mir kommt es vor als wenn sie es wirklich nicht wahrgenommen haben. Selbst heute, vier Wochen nach ihrem Tod, kommt sie gar nicht mehr zur Sprache. Es ist für diese Personen einfach vergessen, und keiner versteht uns, wenn wir sagen, der Schmerz sitzt noch zu tief. Wir waren in ihren Augen einfach zu jung, sie verstehen einfach nicht, daß wir uns auf unser Kind gefreut haben und zwar genau wie jeder der im Begriff ist, Eltern zu werden. Selbst in der Schwangerschaft fielen nur die amtlichen Sachen, aber es hat uns nie jemand gefragt was wir von dem Kind halten, wie wir vielleicht das Zimmer einrichten wollten. Die meisten wissen gar nicht wie weh sie uns mit ihren Argumenten und Aussagen getan haben. Es war einfach so, als würden sie sich nicht auf unser Baby freuen. Wenn man ihnen dann vielleicht mal gesagt hat, wie man bestimmte Sachen hinstellen will, oder was man noch kaufen möchte, oder wofür wir gerade für unser Kind gespart hatten, so wurde dieses Thema wie eine Seuche behandelt und sofort wurde wieder auf das Finanzielle umgegriffen, sie interessierten sich einfach nur für dieses Thema. Es tat wirklich weh; wir waren mit unserer Freude einfach alleine.

Was mir schwer fallen wird ist, wenn ich vielleicht irgendwann vor amtlichen Formularen sitze und ich nicht weiß, was ich ankreuzen soll wenn dort steht:“ Haben Sie Kinder?“ Für mich ist die Frage klar, wenn ich sie mit meinem Herzen beantworten dürfte, doch dies wird für außenstehende Personen nur als lächerlich erkannt und nicht akzeptiert.

Natürlich beruhigt mich der Gedanke, dass jetzt Jessica vielleicht bei Mama ist; wenn dies der Fall ist, dann weiß ich, das sie dort in den besten Händen ist, aber es ist trotzdem ungewiss, weil keiner weiß was nach dem Tod kommt, wer weiß was nach Mamas Tod mit ihr passiert ist?

Viele Menschen die so etwas nie erlebt haben, versuchen einen in jeglicher Weise zu motivieren, doch keiner von ihnen wird es je nachempfinden können. Fast jeder sagte:“ Ihr seid noch so jung, ihr könnt noch so viele Kinder kriegen:“ Ich frage mich bei diesem Satz nur, ob es einen Unterschied macht, ob das Alter eine Rolle spielt wenn man ein Kind verliert.
Meines achtens nicht! Ein weiteres Kind wird nie ein Ersatz sein, höchstens eine Ablenkung und nach der Frage „Warum?“ fragt man mit 18 Jahren genauso wie mit 40 Jahren. Selbst die Trauer ist die Gleiche. Jessica war zwar kein geplantes Kind, aber sie war erwünscht und gewollt, und dies hat bis heute keiner verstanden und ich glaube, das wir mit dieser Meinung nie auf Verständnis stoßen werden. Es war schließlich unser Baby, ob wir nun alt oder jung sind, es war unser Kind, also, warum macht jeder daraus so ein riesigen Unterschied?

Während meiner Schwangerschaft habe ich es genossen in jedem Geschäft nach Babysachen zu gucken. Meist stand ich auch schon mit ausgesuchten Spielzeugen, Kleidungsstücken oder sonst wichtigen Utensilien an der Kasse; ich habe es geliebt mit anderen Menschen über das Thema „Kind“ zu sprechen, und mit Stolz habe ich jedes Ultraschallbild vorgezeigt, doch dies alles darf von heute auf morgen nicht mehr sein.

Was mich kränkt ist, dass alle Menschen nur mir die Blumen schenken und das nur mir der Mut zugesprochen wird, obwohl viele gar nicht daran denken, das es auch eine zweite Person gibt die eine Umarmung und mutbringende Worte genauso braucht wie ich, das diese Person die Blumen und Karten, sowie die Anrufe genauso gebraucht hat wie ich.
Viele sagen, das es für die Frau schwerer ist ein Kind zu verlieren, als wie für den Mann. Ich kann dies nicht nachempfinden, weil ich die Momente des Stolzes in seinen Augen gesehen habe, wenn unser Kind getreten hat, ich habe seinen Kopf auf gespürt wenn er versucht hat irgendwelche Geräusche zu erhaschen und ich habe die ruhigen und lieben Worte gehört die er Jessica zugeflüstert hat, von daher denke ich, das Tobias genau solche Trauer empfindet wie ich auch. Vielleicht trennt die nur verschiedene Gedanken, vielleicht trauern wir unterschiedlich, aber wir verspüren beide diese Leere, den Zweifel, die Angst und den Schmerz.

Oft habe ich Bilder vor den Augen, wie ich einem Baby die Flasche gebe oder es in den Armen halte und dann verschwinden sie wieder und ich fall in die Realität zurück und mir wird klar, das sich diese Sehnsucht danach nicht so schnell stillen läßt. Ich träume sogar nachts davon aus der Hoffnung. Du mußt gleich aufstehen und nach deinem Kind schauen,“ aber wenn Du dann die Augen öffnest wirst du dir bewußt, daß du es um sonst getan hast und weil du so den Drang dazu hast dies zu tun und du weißt das keine Person, keine kleine Person auf deine Nähe wartet, fängst du an zu weinen, aus Schmerz, aus Wut auf andere glückliche Mütter und aus Trauer um dein kleines Kind.
Zum Beispiel dies sind Schmerzen die kein außenstehender Mensch nachempfinden kann und ich möchte behaupten, das selbst Tobias solche Träume plagen.
Ich spreche sehr wenig über meine Gefühle und Gedanken. Ich glaube Tobias würde es besser finden, wenn ich ihm diese Dinge anvertrauen würde und nicht diesem Buch, aber ich kann darüber besser schreiben, hier kann ich meinen Gedanken einfach freien Lauf lassen, hier finde ich die passenden Worte. Ich habe jahrelang die Thematik „Mama“ mit mir selbst ausgemacht, habe wie jetzt geschrieben, gereimt oder komponiert und das hat mir geholfen.
Ich weiß das Tobias mich braucht und ich weiß das er nur darauf wartet bis ich ihn von mir aus auf das Thema anspreche, aber ich brauche Zeit dazu, ich muß mich erst selbst wiederfinden, ich muß erst wieder klar denken können, jetzt fällt mir es einfach noch zu schwer. Ich war immer eine Person die versucht stark zu bleiben und nicht aus der Fassung zu geraten, damit keiner merkte wenn ich Probleme hatte spielte ich ihnen einfach die heile Welt vor; meist klappte es, aber die Personen die mich schon länger kannten wußten sofort was los war. Sie lasen es fast von den Augen ab, aber sie fragten nicht, weil sie wußten wenn bei mir die Zeit zum reden gekommen war, daß ich sie dann auch informieren würde.
Ich weiß auch nicht, ob er mich bei dem Gedanke als Mutter versagt zu haben, verstehen wird und ich weiß auch nicht, ob ich ihn das so verständlich machen kann. Er würde dann vielleicht auf die Aussage der Ärzte zurückgreifen:“ Die Ärzte haben doch gesagt das du nicht Schuld bist.“ Natürlich weiß ich das, aber man kann solche Gedanken nicht einfach so mit einem Fluch vertreiben.

Mit soviel Liebe habe ich für mich wertvolle Sachen extra für mein Kind aufbewahrt und mit Stolz habe ich sie aufgehängt, hingestellt und hinterher meine getane Arbeit angelacht. Das alles habe ich wirklich mit Liebe getan, doch als ich aus dem Krankenhaus wieder entlassen war, wußte ich, das auch dies umsonst war. Die Räume die für unser Kind vorgesehen waren, wurden nie von ihren kleinen Augen betrachtet, ich bekam noch nicht einmal die Chance mein Kind in den Schlaf zu singen, oder ihr die Hand zu halten, wenn sie Schmerzen oder Angst hatte. Es durfte einfach nicht sein.
Mir bleibt nur mein neidischer Blick auf andere Bäuche von schwangeren Frauen. Wie gerne wäre ich noch in ihrer Situation, wie gerne würde ich noch das Gefühl des nie Alleinseins verspüren. Es tut so weh dann hinterher vor einem Kindergrab zu stehen. Wieder wird einem bewußt das es jetzt noch nicht sein durfte, nicht mit Jessica. Eine Person die noch nie auf einer Kinderbeerdigung war kann sich gar nicht vorstellen wie klein und zerbrechlich die zierlichen, weißen Särge aussehen, so unschuldig und unerfahren.
Wir haben uns für Jessicas Beerdigung die größte Mühe gegeben, weil wir wußten das dies ihr erster und letzter Weg sein wird, und das dies das Letzte ist, was wir für sie tun konnten.
Bei diesem Punkt möchte ich mich nochmals herzlich bei meiner Patentante und bei meiner Oma bedanken, die anscheinend
als einzigster Verstanden haben, wieviel uns dieser letzte Weg bedeutet hat. Durch ihre finanzielle Unterstützung konnten wir unserem Kind eine sehr schöne Beerdigung geben, vielen Dank, ihr habt uns ehrlich geholfen. Aber auch vielen Dank an die anderen Personen die uns durch kleine Spenden diesen Weg erleichtert haben.

Ich trauere darum, das die Milch in meiner Brust umsonst ist, daß die Schmerzen des Kaiserschnittes keinen Sinn oder Wert hatten, das dieser Kampf auch wieder umsonst war.

Wir brauchen keine tröstenden Worte, sondern offene Ohren und helfende Hände die uns bei unserer Trauer unterstützen. Selbst die schönsten Worte währen falsch, weil sie einem in keinem Fall helfen können.
Es sind Tränen der Verzweiflung die mich plagen, weil ich weiß, das nur ich mir helfen kann, das ich diesen Kampf von Schmerz, Trauer und Angst bewältigen muß, ohne das mir einer diese Last abnehmen kann. Ich kann sie zwar verdrängen, ich kann mich auch ablenken, aber in der Stunde wo Ruhe herrscht sind die Gedanken wieder da, die Fragen und Hoffnungen die ich habe und wieder bin ich alleine.
Wir hatten so um Jessica gekämpft, um ihr später ein geregeltes Leben zu bieten. Mit sämtlichen Ämtern haben wir gekämpft, damit wir einem Kind die Träume erfüllen konnten, die es vielleicht gehabt hätte.
Doch Jessica durfte einfach nicht Leben und Träumen, sie wird nie mit den anderen Kindern im Sand spielen dürfen und sie wird nie die Chance bekommen ihre kleinen Füße auf den Boden zu setzen.
Ich frage nicht mehr nach dem „Warum“, weil mir meine Fragen sowieso keiner beantworten kann. Wonach ich Frage ist:“ Wie soll es weitergehen, wann darf ich endlich Leben?“
Wenn dies das Leben sein soll, wovon alle so überzeugt sind, dann frage ich mich wo die positiven Seiten in meinem Leben sind.
Ich habe eine Frau gesehen die um ihr Leben gekämpft hat, weil sie Leben wollte, doch sie durfte nicht. Als sie gestorben ist, kamen viele zu mir und sagten:“ Du mußt den Tod akzeptieren,“ darauf konnte ich nur sagen:“ Es ist nicht schwer den Tod zu akzeptieren, es ist schwer den Menschen zu verlieren, der gestorben ist. Ich befürchte das dieser Satz von den Menschen irgendwann, nach geraumer Zeit, wiederholt wird, viele verstehen nicht, das die Welt in einem manchmal größer erscheint, wie um einen herum. Ich bin so vielen Gedanken und Gefühlen ausgeliefert, worauf mir keiner eine Antwort geben kann.
Es durfte einfach nicht sein.
Ich steigere mich in einen Arbeitswahn, um zu vergessen, um zu verdrängen, zum verarbeiten weniger. Ich will es alles noch nicht richtig wahrhaben, ich bin mir immer noch nicht bewußt, was eigentlich passiert ist. Ich habe fast 8 Monate leben in mir gespürt, dafür Verantwortung getragen, und bei jeder Zigarette habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich mich noch mit dem Gedanken plage schwanger zu sein; und wenn ich dann an meiner Zigarette ziehe und auf meinem Bauch sehe, weiß ich, daß in so einem flachen Bauch kein Kind von fast 8 Monaten mehr leben kann und wieder bildet sich dieser Kloß im Hals wieder werden diese Tränen verdrängt, und wieder bin ich meinen Gefühlen und Gedanken alleine ausgesetzt, weil keine Person sie mir abnehmen kann. In diesem Moment ist nur der Qualm der Zigarette da, der beruhigt und wohltut, obwohl dies das Wahre nie sein darf.

Ein Vogel im Wind müßte man sein, so frei, keiner stört einen. Wenn er hier auf Erden keine Ruhe findet, dann breitet er seine Schwingen aus und fliegt hinaus in die Luft und sieht dort die Menschheit doch ganz ruhig und friedlich am Boden. In der Höhe sieht alles ganz ruhig
aus, ganz entspannt.
Ein Vogel könnte diese Ruhe genießen, sein inneres Gleichgewicht wiederfinden. In der Luft kann er seine Sorgen vergessen, er fühlt sich leicht und ausgeglichen, anders wie hier am Boden.
Ich sehne mich nach dem Gefühl frei zu sein, alles entspannt und gelassen zu nehmen, mein inneres Gleichgewicht wiederzufinden, um meine Sorgen endlich verarbeiten zu können. Doch die Ruhe wird mich nicht so schnell heimsuchen. Erst die Vergewaltigung, Mamas Tod und Leidensweg und jetzt auch noch Jessica. Mich überkommt einfach alles. Es sind so viele verschiedene Bilder, Erinnerungen die einem im Kopf herum schweben, die einem immer wieder vor den Augen stehen, und durch den kleinsten Gedanken wieder erscheinen.
Oft sehne ich mich nach den Stunden, wo Mama und ich im Bett lagen und ich ihr meine Sorgen anvertrauen konnte. In diesen Stunden lagen wir uns in den Armen und erzählten uns einfach alles, und wir wußten, das wir uns verstehen würden und der eine den anderen ernst nimmt.

Mein Herz schmerzt bei dem Gedanke, weil dies nie mehr vorkommen wird, egal wie sehr ich es nun brauche oder wie sehr ich mir dies jetzt auch wünsche, so eine Person werde ich nie wiederfinden. Nur wenn ich diese Erinnerung wieder aufrufe, dann sind die Momente des Glücks und des Vertrauens wieder da.
Auch diese Person habe ich geliebt, auch für sie hätte ich alles gegeben, doch diese Momente sind nun vorbei, sie sind Vergangenheit geworden. Sie ist nun auch ein Grab unter vielen und auch sie wird uns immer fern bleiben. Das einzigste was uns an sie erinnert, ist ein Beet mit Blumen, doch diese Blumen können keinem erzählen wie gut dieser Mensch war und wie sehr er um sein Leben gekämpft hat.

Im Krankenhaus ließ man mir die Entscheidung ob ich mein Kind sehen wollte, oder nicht. Ich entschied mich mein Kind zu sehen, obwohl ich Angst vor einem unerwarteten Anblick hatte,doch ich wollte es wenigstens einmal auf meinen Armen halten, wenigstens einmal wollte ich das Gefühl haben eine Mutter zu sein. Es hört sich zwar lächerlich an, aber ich weiß auch nicht wie ich es anders Ausdrücken soll, auf dieses Gefühl haben wir doch nun schon so lange gewartet, auf diesen Moment wo unser Kind endlich auf unseren Armen liegen würde, doch leider war dies nicht die Vorstellung die wir die ganze Zeit erwartet haben.
Als die Hebamme dann mit einem kleinen Bündel weißer Handtücher mein Krankenzimmer betrat und auf mich zukam, bildete sich bei mir wieder dieser Klumpen im Hals. Ich wußte, das es mein Kind war, was sie auf den Armen trug und ich wußte, das mein Kind tot war.
Behutsam legte sie mir das Kind auf die Arme und faltete das mit Handtüchern bedeckte Gesicht auf. Ich drückte Tobias Hand fester, wir hielten unsere Hände die ganze zusammen. Als ich das Gesicht sah, flogen mir wiedermal tausend Gedanken durch den Kopf, doch das einzigste, was ich unter Tränen und mit einem leichten grinsen aussprechen konnte war:“ Du hast mir so mach` unruhige Nacht gekostet.“ Das war das einzigste, was ich an diesem Tag über die Lippen brachte. Ich weiß nicht warum ich das gesagt hatte, vielleicht, weil die Enttäuschung das alles so ausgegangen war, zu groß war, das alle Bemühungen umsonst waren, ich weiß es nicht.
Langsam streichelte ich ihr das Gesicht, ihre Wangen, ihre Stirn. Ich war ganz behutsam, versuchte ganz zärtlich zu sein, aus Angst ich könnte ihr weh tun. Wie sehr erhoffte ich mir, das sie ihre Augen öffnet und mich ansieht, oder nur ein Schrei von ihr, aber nein, alles was uns von Jessica als Erinnerung bleibt, sind Fotos und die zwei kurzen Momente wo unser Kind, unser ganzer stolz auf unseren Armen liegen durfte. Es war schwer zu akzeptieren das dies ein toter Leib war und das wir unseren Stolz nie im Kinderwagen zeigen dürfen.
Erst jetzt weiß, ich wie sehr ich hätte die Minuten genießen sollen, wo man mir die Chance dazu gab mir alles genau einzuprägen, aber ich war viel zu sehr mit meinen Gefühlen und den Schmerzen beschäftigt, das ich vieles nur ungenau wahrnahm.
Dieses Ziel wollte ich gar nicht erreichen. Ich wollte ihr das Leben schenken, und nicht den Tod, doch irgend jemand hatte sich anscheint für Jessicas Schicksal entschieden, ohne Rücksprache mit uns zu halten, sie durfte einfach nicht leben.
Vielleicht hat dieser jemand uns auch nicht zugetraut das wir es schaffen würden, mit einem Unterschied den uns die Menschen hier gaben. Dieser „Jemand“ hat uns die Chance genommen es zu beweisen.
Ich weiß nicht, warum uns so viele Mißtraut und nicht an uns geglaubt haben. Vielleicht lag es daran, daß uns einfach die finanzielle Grundlage fehlte, aber soll es dann schon heißen, das wir schlechte Eltern gewesen währen? Ich finde, das dort wichtigere Dinge eine Rolle spielen, als nur das gute Geld.
Irgendwo finde ich es auch unfair, uns so etwas zu unterstellen. Viele Erwachsenen scheitern am jungen Alter, sie stempeln einen in schwierigen Situationen meist als Verantwortungslos ab, obwohl man gar keine Chance bekommen hat es zu beweisen. Vielleicht hat man damals bei manchen Situationen oder Dingen Verantwortungslos gehandelt, aber soll dieser Fehler dann schon das ganze Leben prägen?

Es waren höchstens drei oder vier Tage vergangen, als ich einen Brief von Beate zurück bekam in dem stand:
Liebe Kerstin,
„danke!!! - zum einen für Dein Vertrauen, über das ich mich sehr gefreut habe...“

Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich diesen Brief nicht vollständig und ausführlich niederschreibe, aber ich möchte das Vertrauen und die Gefühle anderer Menschen nicht verletzen und bitte aus diesem Grund um Ihr Verständnis.
Was mich jedoch damals in und an diesem Brief beeindruckte war der ausgesprochene Dank. Es bedankte sich ein Mensch für den Menschen der ich war, den den ich selber haßte, der mir selbst so fremd und fern war. Sie las diesen Brief anscheinend ganz genau, denn sie schrieb mir zurück, zwang mir kein Gespräch auf, sondern schrieb, weil sie anhand meiner niedergeschriebenen Gefühle wußte, das ich besser schreiben wie reden kann, eine Lehrerin!!!

Auch Ingrid verließ mich nicht und half mir soweit es ihr möglich war. Durch meine Eßstörung und meiner psychischen Verfassung riet sie mir einen Therapeuten aufzusuchen, was ich auch tat. Ein bis zwei Mal im Monat fuhr sie mit mir dorthin, ließ mich nicht allein und war selbst in dem kleinen Therapiezimmer an meiner Seite. Ich wußte und fühlte das auch sie mir helfen wollte und nahm all das an, was auf mich zukam. Diese Menschen legten mir praktisch die Pfeile auf meinen Weg wonach ich laufen sollte, wenn ich es konnte.
Beim Psychiater äußerte ich immer nur „Ja“ und „Nein“, mehr war mir nicht möglich, mehr gelang mir nicht.
Mich störte der Gedanke zu wissen, das ich an einem bestimmten Ort, an einem bestimmten Datum und zu einer bestimmten Uhrzeit in einem kleinen Raum, mit dem Sitz vor einem großen, schweren Schreibtisch all das erzählen sollte, was mich bewegte. Ich war keine Maschine die per Einstellung funktionierte nein, ich war geschwächt, überfordert und sah in all dem gar keinen Sinn mehr...
Ich schrieb Beate wieder zurück und es entstand ein Briefwechsel zwischen uns Zweien und eines Tages vertraute ich ihr an, das ich Probleme mit der menschlich angeborenen Ressource, dem Essen, große Schwierigkeiten hatte. Ich aß nicht viel, und brach diese geringe Menge bewusst wieder aus. In Fachbüchern wird die Krankheit Bulimie genannt, aber ich hatte nicht die dazu gehörigen Fressorgien. Es gab nur wenige Momente wo ich normal aß, es waren ausschließlich die, wenn Tobias in meiner Nähe war. Ich wollte wenigstens etwas in und an mir unter Kontrolle haben, aus diesem Grund entstand die Sucht, aus dem Grund das ich mich selber anekelte, mich hasste und mir all das was das Leben ausmacht nicht mehr gönnte.

Beate fragte mich eines Tages, wie es mit meiner Eßstörung aussehen würde.
„Ich fange an Blut zu brechen,“ äußerte ich, als sei es das Normalste der Welt. Ich ließ sie wieder mit diesem Satz alleine und ging, um allen weiteren aus dem Weg zu gehen.
Heute erkenne ich Blicke die sich Sorgen machen und ich denke das bei Beate, aufgrund meiner Aussage, an diesem Tag die Alarmglocken klingelten, denn sie fragte mich kurze Zeit später, ob sie eine weitere Lehrperson aufklären dürfte. Ich war nicht begeistert, willigte trotz dessen aber ein, weil ich spürte das die Verantwortung auf ihren Schultern zu groß wurde.

Wenn ich eines nicht und niemals wollte, dann war es, das mein Kampf der Kampf anderer Menschen wurde, wenn ich mich aber an die damalige Zeit zurückerinnere, dann weiß ich, das diese Menschen genauso litten wie auch ich, nur anders.

Birgit sollte meine Situation erfahren. Bewegungs- und Musikerziehung unterrichtete sie damals in unserem Kurs.
An diesem Tag hatten wir Bewegungserziehung ( Sport ) und als nach der Stunde alle Mitschüler die Halle verlassen hatten nahm ich meinen Mut zusammen und ging zu ihr:

„Darf ich kurz stören?“ fragte ich höflich.
„Ja, klar,“ entgegnete sie.
„Hat Beate schon mit Ihnen gesprochen?“
„Nein, warum sollte sie mit mir reden?“ fragte sie verwundert.
„Gut. Ich wollte Ihnen sagen, das ich Bulimie habe, ich wollte, das Sie es von mir erfahren. Es tut mir leid, wenn ich Sie jetzt enttäusche.“

Mir fielen diese Worte nicht leicht, doch sie sprangen wie aus der Pistole geschossen aus meinem Mund. Sie war, so schien es mir, ein wenig perplext, überfallen , hätte in diesem Moment bestimmt mit allem gerechnet, außer mit solch einem Geständnis.
Leider weiß ich nicht mehr genau, wie es weiterging. Ich denke, das Beate mit Birgit gesprochen hat, ansonsten denke ich, das Birgit erschrocken genug war, um Beate nach dem Grund für mein Auftreten zu fragen.

Dezember 1998

In diesem Monat hatten wir ganze 70 DM um zu Leben, oder ehrgesagt, um zu überleben. Der Schuldenberg wuchs uns über den Kopf und auch Weihnachten rückte immer näher.

Wie nach Mamas Tot begann ich wieder meinen Schmerz, meine Wut und meine Verzweiflung an mir selber auszulassen. Ich konnte nicht schreien, nicht gegen Stühle und Wände schlagen um meine Wut in mir auszugleichen und schnitt mir unüberlegt meine Beine und Arme auf, zeichnete die innerlichen Narben meiner Seele in meine Haut und ein jedesmal wenn ich damit anfing, hatte ich nicht so schnell wieder den Drang mein Handeln zu beenden. Mein Blut zu sehen befriedigte mich und um so mehr Blut aus der Wunde beim Schneiden trat um so zufriedener, aber auch aggressiver wurde ich zu mir selbst.
Dieser Körper hatte Jessica umgebracht, er sollte genauso leiden wie sie, nein, er sollte noch qualvoller zu Grunde gehen. Zu diesem Zeitpunkt wußte ich, wie qualvoll Jessicas Tot gewesen war. Um ehrliche Worte zu sprechen, mein Kind ist in meinem Bauch verblutet und erstickt, vergleichbar, als wenn man uns die Kehle durchschneidet, denn dadurch, das sich die Plazenta löste waren diese lebenswichtigen Funktionen für meinen Engel nicht mehr vorhanden gewesen.
Dieser Gedanke zerrte an meinem Herz. Er tat so weh und ich war dabei, wollte und konnte ihre Zeichen nicht verstehen.
Ich schnitt und schnitt und irgendwann war es genug. Ich versorgte meine Wunden die stark bluteten und sackte in die Knie. Mein Rücken lehnte an dem kalten Küchenschrank und mein Blick starrte auf die mit Blut verschmierte Klinge, doch ich weinte nicht, ich konnte nicht mehr weinen. In mir brannte ein Feuer und alles in mir zerfiel. Die Asche schien mein Denken zu bedecken und mein Blick, meine Augen starrten durch einen drückenden Nebel in die Realität.

Was kommt noch?
Was hat das Leben noch für mich?

Ich schaute auf meine Verbände und es tat mir leid was ich getan hatte, es tat mir leid.

Einige Tage später

Die Schulglocke ertönte zu dem Fach Musikerziehung, also bei Birgit.
Ich betrat den Raum mit Freude, denn dieses Fach hatte ich immer gerne gemacht, doch heute war es anders.
Wir studierten Weihnachtsstücke ein und in diesem Jahr, mit 70 DM für den Monat und einem Kindergrab im Herzen haßte ich jedes Wort von heilig, Engel und Kerzenschein.
„Es sind nur eineinhalb Stunden Kerstin, reiß Dich zusammen, mach Dich hier jetzt nicht zum Affen!“ ermutigte ich mich selber und riß mich zusammen.
Der Unterricht neigte sich dem Ende zu, als Birgit verkündete:
„Wir lassen Sport heute ausfallen und treffen uns gleich wieder hier.“
„Sarah, ich gehe nach Hause, ich habe keinen Bock mehr,“ sagte ich in einem Trotz, den sie nicht von mir kannte.
Birgit kam, sie bemerkte, das etwas nicht stimmte.
„Kerstin geht nach Hause,“ sagte Sarah, doch das schien Birgit nicht zu beunruhigen.
„Nein, Kerstin wird nicht nach Hause gehen, ich weiß, das sie nicht nach Hause gehen wird,“ entgegnete sie in einer sehr sanften Stimme, die ich von Erwachsenen Menschen nicht kannte, wenn man bewußt Mist machte.
„Doch, Kerstin wird nach Hause gehen!“ sagte ich.
Die Schulglocke ertönte und ich, ich ging nicht nach Hause.
Ich kehrte mit Sarah nach Beendigung der Pause wieder zur Klasse zurück und setzte mich in die Nähe der Klassentür.
„Kerstin, was ist mit Dir los?“ fragte sie mich.
Ich warf meine Haare in mein Gesicht und weinte, versteckte mich in meinen eigenen Körperteilen, damit die anderen Klassenkameraden, die auch aus der Pause kamen, mein Gesicht nicht sahen. Alle standen aufmal um mich herum und fragten was wäre....
Dann kam Birgit, schickte alle in die Klasse und sagte:
„Komm mal mit, ich muß mit Dir reden.“
Ich gehorchte und folgte ihr. Die Tränen wurden abrupt ausgestellt.
Wir gingen in einen kleinen Raum. Ein Schrank stand in ihm, ein großer Tisch mit vier Stühlen und ein Waschbecken hing an der Wand...
„Setz Dich hin Kerstin,“ das tat ich, ich reagierte,
„Was ist los mit Dir?“
Ich erzählte nicht viel, aber ich beantwortete ihre Fragen zumindest mit „ Ja“ und „Nein“ und wenn dies nicht möglich war, dann suchte ich nach der kürzesten Antwort, oder ich schwieg...
„Glaubst Du an Gott?“ fragte sie mich.
„Wenn es einen Gott gibt, dann ist er für mich ein Arschloch.“ Reagierte ich spontan, aber sie machte mir keinen Vorwurf, versuchte mir es nicht auszureden, mich umzukehren nein, sie sah in meine Augen und verstand.
Durch mein Reden merkte sie, das ich mich für alles schuldig machte und mich auch für alles schuldig fühlte und gab mir eine „Hausaufgabe“ auf die ich machen konnte, wenn ich wollte mit der Überschrift:

„Gott Du Arschloch!“

Ich schrieb und schrieb, bis mich 15 DIN A4 - Seiten anstarrten die davon erzählten, wann ich von Gott enttäuscht war und wann ich mich von ihm verlassen fühlte.

Ich bin diesem Gott bis heute nicht näher gekommen, habe den kirchlichen Glauben verloren und beneide jeden, der gläubig ist, denn ich denke, das sich ein gläubiger Mensch nie wirklich alleine fühlt.

24. März 1999

Es war der Tag meines 19. Geburtstages und das schönste Geschenk was ich an diesem Tag bekam, schenkte mir die ganze Klasse.
Einen Delfin aus Holz, auf den eingebrannt stand:

„SIE HAT DIE SONNE NICHT GESEHEN,
DOCH SIE WIRD ALS STERN FÜR MICH AM
HIMMEL STEHEN.“

IN LIEBE FÜR UNSERE KLEINE TOCHTER

JESSICA - ANNETTE
28.05.1998 +

Ich hatte diesen Delfin vorher als Vorlage auf Pappe gemalt, mit den Worten meines Empfindens so, wie ich mir einen Grabstein für Jessica wünschte. Ein Delfin, für mich ein Zeichen der Freiheit mit Worten die persönlich und ehrlich waren.

Von meiner Familie kam nur mein Bruder mit seiner Freundin Melanie. Als Geschenk bekam ich einen Korb mit Lebensmitteln. Gewiss kein Geschenk was man einem 19 jährigen Mädchen zum Geburtstag übergibt, aber ich war ihm sehr dankbar, denn es würde
uns mindestens zwei Wochen über Wasser halten und ich freute mich sehr über seinen Besuch.
Ingrid kam auch. Sie stand mit einem Yes - Törtchen in der Hand und einer brennenden Kerze in diesem vor meiner Tür und sang während ich sie öffnete:
„Viel Glück und viel Segen auf all Deinen Wege...“
Geschenkt bekam ich einen silbernen Delfin - Anhänger, den ich heute noch immer um meinem Hals trage.

Unsere finanzielle Situation erleichterte uns nichts; es war und blieb ein zusätzlicher Ballast auf unseren Schultern. Oft bekamen wir Unterstützung von Tobias Vater, der selbst hoch verschuldet war und einen Schuldnereid ablegen musste. Trotz seiner eigenen finanziellen Situation gab er uns jeden Pfennig ab den er übrig hatte. Noch heute rechne ich es ihm hoch an, denn es ist und war keine Selbstverständlichkeit. Auch Oma (die Mutter meiner Mutter) ging sehr oft mit uns einkaufen, oder gab uns das nötige Geld dafür.
Ich schämte mich so abhängig zu sein, aber mehr arbeiten, als wie ich es jetzt schon tat, konnte ich nicht, denn meine Ausbildung litt schon genug darunter.

September 1999

Ich wusste nicht mehr wohin mit all meiner Traurigkeit, mit all meinen Gefühlen des Versagens und den Hass auf meinen Körper und mein Leben. Ich verletzte mich immer häufiger selbst. Ständig waren neue Wunden auf meiner Haut zu sehen.
Es blieb in meinen Empfindungen die Spannung zwischen Befriedigung, wenn ich all meinen Gefühlen ein Zeichen setzen konnte und der Scham, wenn ich sah und begriff was ich getan hatte.
Allmählich kamen immer mehr Flashbacks in meinen Erinnerungen hoch, die nichts mit dem Tod von meiner Tochter zu tun hatten. Sie erschraken mich immer wieder aufs neue, doch ich wollte und konnte sie auch nicht wahrhaben.
Die Essstörung und die Selbstverletzung, mein ganzes Denken und das Misshandeln meines Lebens und meines Körpers, kam nicht irgend woher. Was da jedoch genau in mir unaufhaltsam hoch kroch lernte ich erst später kennen.

Das alles ging auch nicht an Birgit vorbei. Sie suchte nach Möglichkeiten wie ich diesen seelischen Unfriede, vor allem die unbeschreibliche Wut in mir auszuleben konnte, ohne das ich mir weh tat.

Sie meldete mich an einen Kurs an. In diesem konnte ich für ein Wochenende Erfahrungen an einer afrikanischen Trommel machen. Dieses Medium sollte ein neuer Weg sein den es auszuprobieren galt, um meine Wut über die Musik rauszulassen. Dankend nahm ich den Kurs an. Für mich war es wie Urlaub. Diesen brauchte ich auch, denn zwischen Tobias und mir gab es nur noch Auseinandersetzungen die von seiner Seite sehr häufig zu gewalttätigen Übergriffen wurden.
Kein Mensch weiß, in welch einer realen und seelischen Hölle manch ein Mensch lebt und dennoch sollte ein Jeder vorsichtig sein fremde Türen zu öffnen.

Mit gepackten Koffern stand ich nun voller Erwartungen vor der Jugendburg Gemen und bezog mein einfaches und dennoch tolles Einzelzimmer. Es war toll aus verschiedensten Gründen:
Hier gab es ein Bett nur für mich, ein Zimmer, indem nur für mich Platz sein durfte und kein erzwungener und ertragener,- nicht gewollter Geschlechtsverkehr. Ich hatte einfach nur Ruhe, etwas das ich in meinem ganzen Leben nicht kannte.

Am ersten Abend saß ich mit weiteren 99 Jugendlichen in einem großen Raum. Ich war die einzige, die ohne Bekannte, Band, Chor oder Freunde an dem Wochenende teilnahm. Hier erfuhr ich auch, dass mehrere Kurse angeboten wurden: Band, Meditation, Chor, Afrikanische Trommel und Theater.
Gut, mein Kurs war nun gebucht und ich saß zwischen all den Menschen und wartete gespannt ab, was alles auf mich zukommen würde. Die verschiedenen Organisatoren des Wochenendes stellten sich uns vor. Darunter war auch Norbert. Er stellte sich als Pater und Pastoralpsychologe vor. Was ein Pater war, das wusste ich nicht – wie auch, Psychologe war mir weit aus bekannter, aber viel wichtiger war für mich, das er aus Münster kam.
Ich wollte eine Selbsthilfegruppe für Essgestörte in meinem Wohnort neu gründen. Es gab in diesem keine und ich wollte Menschen kennen lernen, die ähnliche Gedanken hatten, wie ich oder anders gesagt: Ich wollte verstanden werden. Münster ist eine Hauptstadt, und wenn da Jemand irgendetwas mit Psychologe ist und aus einer Hauptstadt kommt, dann hat er vielleicht auch Kontakte zu Menschen, die eventuell diese Gruppe leiten würden, denn mir war klar, dass ich das als Süchtige nicht machen kann. Einen Raum hatte ich ja schon. An diesem Abend trug ich in meinem gedanklichen Notizbuch ein: „Den frage ich, wenn es die Zeit erlauben wird.“ (Hätte ich zu der Zeit gewusst, was ein Pater ist, ...ich hätte es niemals getan, denn meine Meinung zu einem Gott hatte sich in keiner Weise geändert.)

Doch schon in der Vorstellungsrunde fiel ich auf. Eigentlich war es nur eine unüberlegte Reaktion, aber auch die konnte ich nicht mehr rückgängig machen. Als die Frage von einen der Organisatoren an uns gestellt wurde, wer mit einem Chor ...etc. da wäre, zu viert oder zu zweit da sind sollten sich per Handzeichen melden. Ich meldete mich nicht mit einem Handzeichen sondern rief in die spätere Stille hinein: „Ich bin ganz alleine.“ Auf diese Aussage folgten von 99 anderen Jugendlichen in EINEM CHOR: „Oooohhhh.“
Ich bin mir sicher, hätte es irgendein Loch zum verkriechen gegeben, ich hätte es gefunden, aber da war verdammt noch mal keines.

Nun hatte ich Kontakte und das nicht zu wenig. Am gleichen Abend schloss ich mich einer Mädchengruppe an. Sie hatten eine Gitarre mit und wir spielten uns gegenseitig etwas vor. Da ich zu der Zeit noch in einer Band spielte, war es kein Problem bekannte Lieder auswendig zu spielen und zu singen. Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück (was ich gut übersehen ausließ) in die verschiedenen Gruppen. Das Trommeln hatte was. Es war toll, aber Wut raus lassen konnte ich an diese nicht. Dafür hätte ich mehr Übung und Erfahrung gebraucht Wut kontrolliert heraus zu lassen, denn wir trommelten nicht einfach drauf los, sondern es ging darum zusammen MUSIK zu machen. Die Wutausbrüche die ich erlebte waren alles andere als kontrolliert. Sie hörten erst dann auf, wenn ich wieder einen klaren Kopf hatte. Sie hatten keinen wirklichen Anfang und auch kein wirkliches Ende. Das Gefühl ich kann nicht mehr, das Gefühl meines Hasses mir gegenüber uvm. war immer ein Überfall gewesen und meiner Kontrolle war mir immer aus den Händen gelitten. Mit fehlte das Gespür für mich.
In den Pausen saß ich dann wieder bei der Mädchengruppe, die an einem anderen Kurs teilnahmen. Nachdem uns die Lieder die mir, oder den anderen bekannt waren ausgingen, spielte ich auch Lieder, die aus meiner eigenen Feder stammten. Den Mädchen gefiel es.....leider zu gut.
Am gleichen Abend haben sich die Gruppen mit dem was sie konnten vorstellen können. Den ganzen Tag über ging eine Liste herum, in der man sich hat eintragen können, wer am Abend etwas vortragen möchte.
Abends saßen wir wieder in dem Raum vom Vorabend. Verschiedene Chöre, Bands etc. spielten uns etwas vor. Es war ein schöner und bunter Abend.....bis mein Name fiel. Es war nicht nur mein Name, sondern auch der Beisatz: Jetzt kommt Kerstin Kaß mit dem Lied “What is the reason“....und sie spielt ganz alleine.
Da ich schon am Vorabend kein Loch zum Verstecken gefunden hatte, brauchte ich jetzt auch keines mehr zu suchen. Aufgrund der Blicke und des breiten Grinsen der Mädchen brauchte ich gar nicht mehr zu fragen wie mein Name auf die Liste kam.
Da stand ich nun vor der Menschenmenge mit einer E-Gitarre die nicht meine war. Ich trug nach einer kurzen Einleitung mein Lied vor, das in jedem Wort von meinem Leben sprach. Ich zitterte am ganzen Körper. So viele Augen schauten auf mich. Mit einem Mal sahen mich so viele Menschen, doch sie lachten mich nicht aus, es waren andere Blicke, zu viele auf mal. Solche Blicke kannte ich zuvor kaum. Sie waren berührt von dem was ich sang, sie hörten mir zu. Manch ein Mensch weinte sogar – die Worte des Lied schienen einige Erinnerungen in manch einem Menschen auszulösen, denen es ähnlich ging. Ein großer Beifall war der dank und der schien gar nicht mehr aufzuhören. Ich war erleichtert und stolz zugleich, denn ich hatte etwas geschafft, was mir zuvor gar nicht möglich schien. Aber das, was für mich nach der ganzen Lebensgeschichte das schönste Geschenk blieb war: Die Menschen haben mir zugehört. Es war kein totes Papier auf das ich schrieb, es waren keine Fragen da, die meine Seele zum brennen brachten. Ich durfte einfach nur da sein und das singen, was ich wollte, mit dem einzigen Talent das ich noch in mir sah, meinen einzigen Wert, den ich bis heute noch aufs äußerste verteidige: Meine Musik. Sie ließ mich bis heute überleben und nur in ihr spüre ich mich bis heute und das, was ihr alle Leben nennt. Meine Musik wurde noch nie verletzt.

Der Abend war für mich etwas wunderbares und ein positiver Adrenalin Spiegel schien entstanden zu sein. Dieser gab mir auch den Mut zur nächsten Hürde. Ich war einer der Letzten die Aufgetreten war. Abends sang dann Norbert noch ein Vampirlied, alles wurde dunkel gemacht. Ich hatte zwar keine Ahnung, was auf mich zu kam, aber Begeisterung sah wirklich anders aus. Das Lied war super, der Vortrag sehr witzig, aber dieses matte Dunkel in das der Raum gekleidet war, machte mir Angst. Nachdem der Abend sich dem Ende zuneigte, musste ich meinen letzten Mut zusammennehmen, denn ich wollte Norbert, der mir fremd und dann auch noch MANN war fragen, ob er mir mit einer Leitung helfen kann.
Ich ging auf ihn zu und fragte, ob ich mit ihm unter „vier Augen“ reden könnte. Er erklärte sich sofort dazu bereit. Wir gingen nach draußen an den kleinen Fluss der noch heute um das Schloss läuft. Ich muss heute innerlich grinsen, denn ich weiß noch genau das Norbert an der Hauswand stand und ich am Geländer, wie wir dort standen: Norbert mit seiner kleinen Aktentasche und ich innerlich bangend und nach außen hin selbstbewusst. Ich glaube nicht, dass er irgendeine Erwartung hatte. Selbst wenn ich mir heute die Bilder ins Gedächtnis rufe, spüre ich noch die Offenheit die da war. Er wusste ja auch nicht was auf ihn zu kam und ich wusste nicht, wie sehr mir dieser Mensch ans Herz wachsen und wichtig für mein Leben sein und werden würde.

Ich glaube ich war zu aufgeregt, oder Norbert war mir am Anfang noch zu unwichtig. Eigentlich merke ich mir gut Gespräche und Worte die mir wichtig sind. Ich glaube das für mich damals bei all dem was er mir zusagte, versprach oder selbst seine Offenheit nicht echt waren. Das lag nicht an ihm, sondern viel mehr daran, das er fremd war und ich nicht daran glauben konnte und trotzdem kein Versuch unversucht lassen wollte, dass er es ernst mit mir meinte. Er tat es aber.
Ich weiß noch so viel, dass er mir versprach, dass er sich nach einer Leitung für eine Selbsthilfegruppe erkundigen und wir im Briefkontakt bleiben wollten. Das freute mich.
Dann kamen aber die persönlichen Fragen, auf die ich immer kurz antwortete. Das Wort Pastoralpsychologe begann ich mehr und mehr zu verstehen, aber ich nahm es an, halt so wie ich es konnte.
„Wie bist du denn in die Essstörung hineingeraten?“ wortwörtlich hat er es so nicht gesagt, aber eine ähnliche Frage fiel und schon kam mein üblich Mechanismus ans Tageslicht. Ich erzählte und erzählte, von Mama und von Jessica, von Tobias und unserer finanziellen Situation. Ich denke es war vieles, wir standen in jenem Fall lange beieinander. Und von allem sagte ich nur die Kurzvision. Das muss sich nicht glaubhaft angehört haben. Ich vergoss bei meinem Reden keine Träne. Alles war wohl so gesagt, dass es unglaubwürdig, oder einfach zu viel des Guten war. Emotionen kannte ich in mir zu genüge, aber ich wusste es mit keinem mehr zu teilen, weil ich Angst davor hatte wieder enttäuscht zu werden, Angst das bei zu vielen ehrlichen Worten etwas raus kam und vor allem: Ich hatte und habe immer Angst mich reden zu hören. Die Dinge die da im Kopf herumschwirren bekommen mehr Realität und mehr Ehrlichkeit; sie werden wahrer und deutlicher. Mehr als wie ich sowieso schon trug konnte ich nicht tragen. Was nun nach anderen und viel späteren Gesprächen zumindest sicher ist: Ich habe Norbert von Jessicas Grabstein erzählt, dem Delfin aus Holz....schon das muss eine andere Welt für ihn gewesen sein, mit all dem was ich ihn an dem Abend erzählt habe. Er wollte mich ernst nehmen und dennoch war in ihm sicher nach dem Gespräch ein großes Fragezeichen. Nachdem das Wochenende vorbei war und viele Monate später erzählte er mir, dass er noch mal zum Friedhof gefahren ist um nach dem Grabstein zu suchen. Ich bin froh das er es getan hat, denn es bewies: Ich habe nicht gelogen.
Das Wochenende verging. Birgit kam zum Abschlusstag. An diesem konnte jede Gruppe zeigen, was sie gelernt hat oder mitnehmen wird. Ein Wochenende.
Für mich war es zu kurz. Ich kehrte in meinen Alltag zurück mit den großen Fragen: Wie bändige ich meinen Freund? Wo bekomme ich Geld für unser Leben her? Wie überlebe ich? Was ist mein Sinn im Leben und wie behalte ich meinen Schutz vor der Familie, dass ich mein Leben gut leben kann ohne all den „wichtigen (?!)“ Gedanken die sie sich machen. Für mich waren ganz andere Alltag.

Ich saß in meinem alten Leben und dennoch wieder in meinem neuen Chaos nach der Erfahrung wie schön und ruhig Leben sein kann. Es verging nicht viel Zeit. Vielleicht war es ein Tag und schon setzte ich mich hin und schrieb Norbert in vielen DIN A4 Seiten mein Leben nieder. Anders gesprochen wie zuvor, ehrlicher, offener, ohne Druck, einfach frei raus.

Norbert antwortete mir schon am 14.09.1999 und einen Tag später bekam ich wieder einen Brief, indem sich ein Mensch für meine Offenheit bedankte. Norbert schreib einen Satz der mich wieder stutzig werden ließ:
„Wenn du einverstanden bist, könnten wir ja eine Vereinbarung treffen: Wenn ich etwas nicht verstehe oder etwas wissen möchte, dann darf ich dich fragen; und wenn du wissen willst, was ich über dies oder jenes denke, dann sagst du es ganz deutlich, und ich werde dir meine Antwort nicht schuldig bleiben. Wäre das OK für dich? In jedem Fall werde ich – so gut ich kann – zuhören und versuchen, dich zu verstehen.(...)“
„Weißt du, welcher Satz mich am meisten betroffen gemacht hat: „....er hat aus mir das gemacht, was ich heute bin, ein Kind ohne Mutter und eine Mutter ohne Kind.“ Damit muss ich damals wohl Gott gemeint haben. In weiteren Sätzen von Norbert spürte ich, wie sehr er mich verstand oder auch verstehen wollte. Er wollte an dem teilhaben, was mich bewegte und traurig machte, ohnmächtig und klein. Zudem schrieb er sehr ehrlich und fand ein Punkt, der mich im Leben schon oft scheitern ließ: Meine „nüchterne“ Art die Dinge zu erzählen die mir schwer fielen und weh taten.
Diesen Briefkontakt behielten wir erst mal bei. Es bleibt dabei, dass ich in diesen viel mehr sagen konnte, wie in jedem noch so gut gemeinten Gespräch zuvor. Es tat gut zu reden, alles los zu werden und dennoch kannten wir uns am Anfang kaum. Vielleicht war es für mich darum so einfach. Norbert war mir am Anfang fremd. Eine freundschaftliche Beziehung entstand erst nach und nach mit jedem neuen Brief und jeder neuen Antwort.

Dezember 1999

Birgit schlug mir eine psychosomatische Klinik, weil meine Sucht immer schwieriger wurde. Im November setzte ich zudem, auf eigenen Wunsch, meine ambulante Therapie ab, denn sie brachte mir nichts. Es schien mir immer wie ein Zwang in diesem Raum gefangen zu sein und dieses Gefühl hielt meinen Mund geschlossen.
Ich konnte mich an dem Gedanken in eine Klinik zu gehen, nicht gewöhnen.

Was würde meine Familie sagen?
Wie würde sie zu mir stehen?
Und vor allem:

Wie tief war ich schon gesunken um in eine Klinik zu müssen?!

Birgit lud mich ein mit ihr, ihrem Sohn und einem Freund von ihrem Sohn in den Urlaub nach Österreich, „Obernberg“, zu fahren und zwar ohne Tobias. Es sollte eine Zeit sein, in der ich mir Gedanken machen konnte, um mir neue Perspektiven zu setzen.
Von Beate bekam ich als Weihnachtsgeschenk einen fünftägigen Skikurs, denn ich kannte nur Sommerurlaube und hatte noch nie zuvor auf einem Ski gestanden.
Am 25.12.1999 fuhren wir los.
Tobias verabschiedete sich von mir am Bahnhof mit einem kurzen Brief. Er wünschte mir viel Glück, hoffte für mich, das ich in diesen 10 Tagen Urlaub einen neuen Anfang finde...

Der Zug fuhr los. Ich faltete den Brief zusammen und wünschte mir das Gleiche, wünschte mir endlich frei zu sein von diesen Gedanken die mich wertlos machten.

Wie fest hielten sie mich diese ein ein halb Jahre und wie fest hielten sie mich auch schon nach Mamas Tod?

Die Kopfhörer des Walkmans in meinem Ohr ließen mir ruhige Klänge in die Ohren fließen und ich sah hinaus aus dem Fenster des Zuges, sah wie die Häuser an mir vorbei rauschten und wie ich mein trautes Heim verließ, mit der Hoffnung das es auch mein altes Leben sein würde, mit dem wertlosen Denken.
Die Bilder, die von dem Tag an, als ich Jessica gebar, in mir waren, schossen mir durch den Kopf und wieder wurde mir klar, wie unfair doch dieses Leben war, wie unbarmherzig und schmerzhaft.
Was hatte ich denn von dieser Welt verlangt?

Ich wollte doch immer nur leben, das war doch mein einziges Ziel, das Leben zu leben!!!
Ich war 19 Jahre alt und war schon jetzt am zweifeln, hatte Angst vor jedem neuen Tag der begann und wusste nichts mit diesem Neubeginn anzufangen. Dieser Zug führte mich in eine Welt die ich nicht kannte, denn in diesen 10 Tagen würde ich die Zeit bekommen nur an mich zu denken, an mein Leben, an meine Zukunft doch:

Wie sah diese aus?
Wie sollte sie aussehen?

Ich hatte Angst zu lieben, denn alles was ich liebte verlor ich, alles was mir Wert war, und nun, nun verlor ich mich selber, war selber bereit mich in eine Klinik einweisen zu lassen. Ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben so schwach, das ich nicht mehr wusste woher ich die Kraft nehmen sollte am Leben zu bleiben, eigen - und selbständig zu leben.
Mein Blick wand sich zu Birgit, die mir gegenüber saß und an einer Mütze strickte.
Es tat mir leid so verschlossen zu sein, ihr keine Worte geben zu könnten für das, was in mir mein Leben und mein Handeln bestimmte.
Ich sah auf ihre Hände, Hände die ich zu dieser Zeit niemals missen wollte, doch mein Anblick auf diese vertrauten Hände tat mir weh, es tat mir weh in mir gefangen zu sein und die Stütze die diese Hände mir gaben, nicht wirklich annehmen zu können und dabei bemühten diese Hände sich so mich zu halten.

Wer war ich?
Was irritierte mein Denken?
Und was war das Hindernis in mir, der Mensch zu sein, der ich nun wirklich war?

Ich spielte mein eigenes Spiel, ohne das ich es verstand, ohne das ich es spielen wollte, ohne das ich mir bewusst darüber war, das ich es wirklich spielte, das ich mitten in diesem war, im Gefängnis meines eigenen Spieles. Ich kannte die Karten, ich hatte sie offen auf meiner Hand, doch war ich nicht in der Lage diese zu spielen.
In diesem Fall waren die Karten meine Gedanken, meine Bilder, mein vergangenes Leben, Karten die ich kannte, wofür ich aber keine Worte fand um sie zu spielen, um sie auszulegen, um sie zu teilen...
Meine Worte waren so schwach, mein Denken so blockiert und mein Empfinden vom Chaos überfordert und vor allem schien die Schuld die ich empfand der Richter über mein Schweigen zu sein der, der mich verurteilte zu Schweigen...

Der Zug rollte in meine Chance, obwohl mir nicht begreiflich wurde womit ich diese verdiente.

Würden Sie in meine Augen schauen können, wenn Sie diese Zeilen lesen, dann würden sie diese Leere in meiner Seele spüren, die in jede Zeile meiner Geschichte niedergelegt ist. So wie Sie diese Zeilen le­sen, habe ich bis zur heutigen Zeit niemals offen gesprochen,...

Warum?

Wer in der heutigen Gesellschaft würde sich soviel Zeit nehmen um eine vergangene Geschichte zu verstehen, um diese aufzunehmen?

Wer würde die Kraft haben in meine Augen zu sehen und den wahren Menschen erkennen der ich wirklich bin?
Sagen Sie mir,

Wer würde das kreischende Kinderherz umschließen, das sich sehnt, das sich fremd fühlt und das den Herzschlag der Einsamkeit dichter an seiner Haut gespürt hat, als den geborgenen Herzschlag einer lie­benden Mutter?

Ja, meine Mutter hat mich in ihre Arme geschlossen. Ich habe ihren Herzschlag wahrgenommen, und ich hatte den Mut bei ihr all meinen Schutz abzulegen, so schwach zu sein um mich beschützen zu lassen, doch mein Leben hat mich hart gemacht, ich kann nicht mehr vertrau­en, all meinen Schutz abzulegen, denn es macht mich unsicher, es macht mich zu einem tolpatschigen, kleinen Welpen wenn ich es ver­suche. Ein Welpe, mit einer langen Vergangenheit, ein Welpe dessen Augen trübe sind, dessen Blick auf der Suche ist; doch dieser erwachsene Welpenblick giert wie der eines Jungen nach dem Leben.

Alle sehen und sahen das ich lebe, doch kaum einer sah und sieht welch ein Kampf es für mich ist. Die Einsamkeit war und ist dichter an meiner Haut, sie ist direkt unter ihr, sie lebt inmitten meiner Brust und hat sich als eine Bleischürze um mein Herz gelegt,... denn jeden Tag spüre ich, wie viel Kraft es braucht, jeden Tag spüre ich, wie schwer es schlägt.
All die Menschen sehen, sie sehen auf ihre Uhren, auf die Gegenstän­de ihrer Einrichtung, auf die Bildung ihrer Mitmenschen...
ist es denn so schwer in die Seelen zu schauen, ist es so schwer die Hand eines Menschen zu nehmen und ihm einen Blick zu schenken der sagt: „Ich bin da.“ ???
Und genauso stelle ich mir die entgegengesetzte Frage:

„Ist es nicht schlimm den Menschen gegenüber besser zu kennen, als wie sich selber?“

Wir Menschen sind entweder stur, zu viel mit uns beschäftigt, oder wir leiden unter dem ständigen Helfer - Syndrom um unsere eigene Welt zu verdrängen.

Kennen Sie einen Menschen von dem sie sicher behaupten können das er genau das Mittelmaß ist?

Die Nacht haben wir im Zug geschlafen, und als ich am Morgen den Vorhang unserer Kabine leicht zur Seite schob sah ich die schneebe­deckten Bergkuppeln und fühlte mich auf mal in meiner Vergangen­heit, in meiner Kindheit zurückversetzt.
Ich kannte die schneebedeckten Berge nur aus dem Fernsehen, und doch waren sie mir vertraut denn, wie viele Berge hatte ich damals als Kind mit meiner Familie bestiegen da, als wir noch eine Familie wa­ren. Auch wenn dieser Anblick mich schmerzte, ich genoss diesen, denn er gab mir eine Erinnerung zurück.
Wir fuhren noch eine Weile in diesem Zug, dann stiegen wir um in einen weiteren und danach fuhr uns ein Bus zu unserem Ferienhaus.
Es war wie in einem Märchen, all dieser Schnee und es war eine wahnsinnige Ruhe.
Der Schnee knirschte unter meinen Sohlen und jeder Schritt schien eine Massage für meine Füße zu sein alles, es war einfach traumhaft.

Auch unsere Ferienwohnung war sehr schön, zu der Gegend passend, ohne Fernseher und alles sehr altmodisch und gemütlich eingerichtet.
Die Jungen hatten ihr eigenes Schlafquartier und Birgit und ich teilten uns ein Schlafzimmer.

Jeden Abend, bevor wir schlafen gingen las sie mir aus dem Buch „Momo“ ein ganzes Kapitel vor, was ich von ihr zum heiligen Abend geschenkt bekommen hatte mit einer Karte auf der von ihr geschrieben stand:

„Im Dunkel scheint Dein Licht ,
woher, ich weiß es nicht.
Es scheint so nah und doch so fern.
Ich weiß nicht wie Du heißt,
was Du auch immer seist,
schlimmere, schlimmere, kleiner Stern.“

(nach einem alten irischen Kinderlied)

Liebe Kerstin,
ist das nicht schön - so, genauso wie Deine Geschichte - und das steht vorne in dem Buch, das ich Dir schenken will - und jeden Abend ein Kapitel Dir vorlesen möchte. Ich wünsche Dir, dass Du niemals ver­gisst, dass tief in Dir selbst der Stern schimmert.
In Liebe Deine Birgit

Und mit wie viel Geduld sie mir jeden Abend vorlas, mit wie viel Ruhe. Oft wenn sie las dachte ich, eigentlich wäre ich heute diejenige die ihr Kind in den Armen hält, eine Geschichte vorliest, um die klei­nen Augen in einen Phantasie erfüllten Traum zu schicken.
In dieser Zeit war ich nun einfach das erwachsene Denken, das für diese Momente wieder Kind sein durfte.
Wie ein Kind verfolgte ich jedes Wort, wie bei einem Kind spielte mir meine Phantasie Bilder vor den Augen, um mir vorzustellen, wie es in Momos Welt ausgesehen haben mag und glauben Sie mir, es ist schwer ein Kind zu sein, wenn man erwachsen ist, es ist schwer sich so fallen zu lassen und einfach nur zu genießen....
.....und es war wunderschön wieder ein Kind zu sein.....

Ich besuchte meinen 5 tägigen Skikurs und gewann immer mehr Sicherheit. Jeden Tag waren wir auf der Piste. Um ca. 16.00 Uhr trafen wir uns alle wieder an der Ferienwohnung. Aus dem Urlaub versuchte ich andauert Tobias zu erreichen, aber es war entweder besetzt, oder keiner ging ans Telefon. Es war merkwürdig, aber ich machte mir keine großen Gedanken, denn schließlich vertraute ich ihm, das dachte ich zumindest, das ich das konnte...?!

Oft ging ich nach dem Ski fahren noch wandern. Lange Wege waren nicht möglich, denn es wurde recht früh dunkel.
An einem der Tage stieg ich allein einen Berg hinauf. Der Schnee war sehr tief und ließ meine Füße und Beine bei jedem Schritt bis zum Knie in den Schnee versinken. Es wurde von mir eine menge Kraft verlangt um mein Ziel zu erreichen, doch ich ließ mich nicht entkräften, ich wollte hoch auf den Berg und setzte weiter und weiter einen Fuß vor den anderen. Mein Atem schmerzte in der Luftröhre, denn die Luft war kalt und meine Anstrengung zu groß, als nur die Nase als Luftversorgung benutzen zu können.
Nach zwei Stunden musste ich jedoch mein Vorhaben abbrechen, denn ich bemerkte die Dunkelheit. Ich blieb stehen und schaute mir bewusst den Ausblick an. Langsam breitete ich meine Arme aus und....

...ich schrie, wie ich niemals geschrien hatte, ich schrie all meine Enttäuschung aus meiner Seele, all meine Trauer und all meine Hoffnung. Ich schrie einmal, einen lauten Schrei, bis ich keinen Atem, keinen Hauch Luft mehr in mir hatte und ließ mich nachdem in den Schnee fallen. Ich fühlte mich so verdammt einsam, so verdammt allein.
Ich war ausgesaugt, müde, sah in den Himmel und fragte dieses Element:

„Warum?“

Ich schaute in dieses träumerische Himmelreich und wünschte mir wieder erlöst zu werden, frei zu sein, neu geboren zu werden, nicht mehr zu leben.
Ich spürte meine ermüdeten Muskeln und der Schnee schmolz durch meinem Atem.

Vor wem, vor was schützte mich mein Selbst?

Wenn ich mich nur selbst verstehen würde!!!

Ich hätte noch lang an diesem Ort verbleiben können, aber die Dunkelheit zwang mich zurückzukehren.
Ich stand auf und verließ den Ort, der mich schreien ließ.

31 Dezember 1999 / 01. Januar 2000

Auch Silvester feierten wir in Obernberg, die Wende von 1999 auf 2000 und es war das schönste und persönlichste Silvester, das ich erlebt habe.
Wir gingen um ca. 23.15 Uhr auf einen der uns umringenden Bergen und suchten einen guten Aussichtsplatz, bei der wir die Ortschaft Obernberg sehen konnten und brauchten nicht lange, bis wir einen gefunden hatten.

Silvester ist für mich unter anderem auch ein Erinnerungstag und das ein jedes Jahr, denn genau an Silvester von 1992 auf 1993 kam Mama zur KMT ins Essener Krankenhaus und diese Bilder des Abschieds vor unsere Haustür sind Bilder, die ich nie vergesse, die damals erfüllt von Hoffnung waren und heute zu einem Grab geworden sind.

Die Kirchenglocke ertönte um Punkt 0.00 Uhr und die Kracher stiegen den Himmel empor und erleuchteten das mit Schnee bedeckte Obernberg in einer wunderschönen Farbenpracht. Eine Rakete war schöner als die Andere und obwohl die Menschen uns sehr fern waren hörten wir ihre feierliche Stimmung.
In Gedanken wünschte ich vielen Menschen die mir Wert waren ein frohes neues Jahr und ich denke, das auch einige Menschen mir dieses wünschten, doch hatte ich Angst vor dieser erneuten Jahreswende, denn jedes neue Jahr hatte seine negativen Konsequenzen, denn in jedem Jahr geschah etwas, was mich erneut Zwang zu kämpfen.

Ich sah auf diese funkelnden Lichter, auf dieses neue Jahr, das alle feierten, mit dem Gedanken an die Klinik, mit den Gedanken, das dies nur ein Urlaub für mich war, und das ich bald wieder in meinem alten Leben sein würde, mit enormen finanziellen Problemen, mit Menschen die mich nicht verstehen konnten und einem Leben was mich ständig zur Rechenschaft ziehen würde.
Den Mut wirklich aufzugeben, hatte ich jetzt nicht mehr, ich konnte mir den Tod nicht gönnen, denn diese Erlösung durfte für mich nicht sein.
Wieder sah ich zu Birgit und mir wurde klar, das es doch Menschen in meinem Leben, in meiner Welt, in meinem Herzen gab, die bereit waren mich so zu nehmen wie ich war. Ich wollte ihr durch den meinigen Tod nicht die gleichen Fragen in den Kopf setzen, die ich hatte, die ich ertragen musste.
Der Gedanken an die Klinik machte mir sehr viel Angst. Es sollte die psychosomatische Klinik Bad - Grönenbach sein, die mir zwei Wochen lang verbieten würde zu jeglichem Menschen aus meinem Leben Kontakt zu haben, um mich selber zu finden. Das gehörte jedoch nicht zu meiner größten Angst, viel mehr Angst hatte ich vor der Reaktion meiner Familie...
Sie konnten die Kerstin aus dieser Zeit sowieso schon schwer annehmen, wie würden sie also dann noch reagieren, wenn sie erfahren würden das ich unter Magersucht leide, wie würden sie dann noch reagieren, wenn ich > reif für die Klinik war < ?!
Keiner wusste, das ich schon jegliche versuche zum Suizid hinter mir hatte nein, noch nicht einmal Tobias wusste davon, ausgenommen Birgit; und ob sie es unbedingt so hautnah erfahren und wissen wollte ist fraglich. Ich war so oft, so nah dran...

Ich bedauere mein heutiges Überleben nicht, aber ich bedauere das ich mich nicht zu einer Einweisung in der Klinik überwinden ließ !!!
Vielleicht wäre mein heutiges Leben einfacher, vielleicht wäre ich lebensfähiger und ein normaler Mensch, der nicht ständig mit seinen Gedanken in weiter Ferne schweift, sondern sich mit den Gedanken an die Zukunft wendet, an das Leben der Realität und nicht an dem Leben, das einmal war.
Ich kann nicht anders, die Dinge, die damals waren sind noch lange nicht verarbeitet, noch lange nicht für mich sortiert und es ist sehr schwer sie in meinem heutigen Leben noch anzunehmen, wahrzunehmen und zu akzeptieren.
Wenn ich in meiner Gedankenwelt schwebe, dann lebe ich nicht auf dieser Welt. Gefühle die damals da waren sind genauso intensiv in meiner Gedankenwelt vorhanden, ich spüre sie - genauso - wieder erneut, durchlebe den gleichen Schmerz immer und immer wieder und ich kann mich von dieser Welt nicht verabschieden und weiß nicht warum.
Hätte ich, allein schon beruflich gesehen, heute nochmals die Chance in eine Klinik zu gehen, ich würde es tun. Ich weiß mittlerweile, wie schwach ich wirklich bin und wie sehr meine Vergangenheit mir mein heutiges Leben aus der Hand nehmen kann.
Es tut weh einen Menschen vom ganzen Herzen zu lieben und ihm diese Liebe nicht geben zu können, weil ein Teil von mir noch durch die Vergangenheit schwirrt.
Ich weiß nicht, ob Ihnen solche Gefühle bekannt sind, wenn nicht, dann hängt es vielleicht damit zusammen, das ich in diesem Buch, in meinen Worten nicht alles von mir preisgeben kann und möchte. Das Wort Vergangenheit, kann sehr groß sein und sehr groß werden...

Auch wir schossen unsere Raketen in den Himmel und auch wir tranken ein wenig Sekt, zündeten für jeden der uns in Gedanken kam eine Wunderkerze an, um ihnen auf diese besinnliche Art und Weise ein frohes neues Jahr und viel Glück zu wünschen.
Irgendwann zündete Birgit auch eine für mich an und schrie:
„Für Kerstins Neujahrestheraphie!“
Ich musste lachen.
Trotz all meinen Gedanken, meinen Ängsten,... auch wir, auch ich hatte Stimmung und wusste das Birgits Wünsche an jeden sehr ernst gemeint waren und so impulsiv wie sie schrie und diese Wunderkerze schwenkte, reizte es einfach zu lachen.

Freitag, der 7.01.2000

Der Urlaub war zu Ende und mein Vater holte mich am Bahnhof ab um mich wieder zu meinem vertrauten Heim zu bringen. Einerseits freute ich mich sehr auf Tobias, andererseits stand ich im Zwiespalt, denn selbst mein Anruf vom Bahnhof aus wurde nicht entgegengenommen.
Tobias hatte meinen Wohnungsschlüssel, weil er den Seinen kurz vor meinem Urlaubsantritt verlegt hatte. Ich beharrte vor meinem Urlaub darauf, ihm einzuflössen, das ich am 7.01.2000 nach Hause kommen würde und bat ihn darum, an diesem Tag zu Hause zu sein, da ich sonst nicht in die Wohnung kam.
Papa fuhr mich zu ihm, aber er war nicht da. Mein Schellen an der Wohnungstür blieb unerhört und nichts schien sich in dieser Wohnung zu bewegen. Ich ging zu unseren Nachbarn und fragte dort nach dem Schlüssel. Auch sie hatten diesen nicht. Ich fragte zu dem:

„Wo ist Tobias überhaupt?!“
„Der ist in Berlin,“ bekam ich als Antwort.

Ich fragte nicht, was er da machte, warum er dort war, ich fragte mich vielmehr, warum er nach Berlin fuhr, wenn er so viele Schulden hatte.
Ich verstand es nicht und ich war enttäuscht, das er nicht da war, denn ich hatte in sehr vermisst.
Papa bot mir an dann eine Nacht bei ihm zu schlafen.
Gemeinsam gingen wir noch zu Mamas Grab und Papa sagte an diesem:
„Kerstin, Du weißt, das Du jederzeit wieder nach Hause zurück kannst.“

Ich überlegte nicht lange und mir war klar, das dies die beste Entscheidung sein würde und entgegnete:
„Ja Papa, ich möchte wieder nach Hause.“

Dass das „nach Hause wollen“ mit vielen Zwängen verbunden und mit perversen und erzwungenen Leistungen die ich tun musste, dass wusste ich, aber wo sollte ich sonst hin,- kein anderer wusste sonst davon.

Ich konnte einfach nicht verstehen, wie Tobias mir das antun konnte. Ich hatte mich wieder auf ihn verlassen und wurde wieder enttäuscht und zudem hatte er mich vor Papa blamiert, doch dies waren nicht alles die Gründe. Ich hatte gedacht, das ich unsere finanzielle Notlage vielleicht so besser in den Griff bekommen würde. Ich hatte Papa gesagt, das ich Tobias trotz allem finanziell unter die Arme greifen und er mein Partner bleiben würde.

Wir fuhren zu meinem altem Heim, indem ich vor meinem Auszug acht Jahre lang wohnte und es war sehr komisch und beängstigend es mit dem Gedanken zu betreten das es nun wieder mein neues zu Hause war.

Ich wurde hier des öfteren gefragt, ob ich mich nun wirklich entschieden hatte wieder einzuziehen. Wieder kann ich nur sagen: Wo sollte ich denn sonst hin...

Am gleichen Abend ging ich duschen. Unter dieser fiel mir ein, das meine Oma noch einen Schlüssel von der Wohnung hatte, die ich am nächsten morgen anrief.

Samstag, der 8.01.2000

Nachdem ich mich vergewissert hatte das sie wirklich im Besitz des zweiten Schlüssels war, rief ich eine Freundin, Silke an, die zusammen mit ihrer Schwester Tanja und mir zu Tobias und „meine“ Wohnung fuhr, um einige Sachen, Dinge die mir Wert waren, aus dieser zu holen. Es waren keine großen Dinge für mich. Es waren Fotos, Figuren, meine eigenen, gemalten Bilder, Tagebücher, Gedichte, Briefe, Kleidung, Bücher.... Diese Dinge hatten keinen finanziellen Wert, aber mir persönlich bedeuteten sie sehr viel, genauso, wie Jessicas Fotoalbum.
Mitten in diesem Enträumungsprozeß fragte mich Silke:

„ Wo ist Tobias überhaupt?“
„ Der ist in Berlin,“ erwiderte ich, denn eine andere Antwort konnte ich nicht geben, mehr wusste ich ja nicht.
„ Wie, dann ist er jetzt wirklich zu dieser Claudia gefahren?!“ brach aus ihr heraus. Ich war ersetzt, was war los ???
„ Ok Silke, jetzt hast Du Dich einmal verplappert, dann verplappere Dich jetzt richtig, was ist los?!“ entgegnete ich ernst.
„ Tobias hatte mir erzählt, das er ein Mädchen im Internet kennengelernt hatte, die in Berlin wohnt und zu der er gerne hinfahren wollte.“ es fiel ihr schwer diese Worte zu äußern, denn Tobias wurde im Laufe unserer Partnerschaft auch ein guter Freund für sie, aber ich denke sie wußte das es keinen anderen Ausweg gab, als die Wahrheit zu sagen.

Ich war wirklich geschockt, und obwohl ich zuvor noch eine Partnerschaft mit Tobias erhalten wollte, war ich mir jetzt sicher, das mein Empfinden nicht mehr dem entsprach.
Ich verstand es wieder nicht. Er war doch derjenige, der mir dieses Bild gab, der mir soviel gewünscht hatte als ich nach Obernberg fuhr und jetzt dieses hintergehen...
Im Februar wären wir vier Jahre zusammen gewesen und gemeinsam hatten wir so vieles durchgestanden, das ging einfach nicht in meinen Kopf hinein.
Gut, ich musste tief durch atmen, es war eine erneute Chance, denn ich hatte nicht die Macht es rückgängig zu machen. Ich wünschte der Berg wäre wieder in meiner Nähe gewesen, der, der mich hat schreien lassen, der, der mir dies erlaubte, der die Kraft meiner Verzweiflung in seine Furchen aufnahm und den Hall an seine Jahrtausend alten Bruder weiterleitete. Ich wünschte mir ich hätte in diesem Moment wieder auf diesem Berg stehen können um meine Gefühle mit dem diesem, meinigen Berg zu teilen.
Ich stand nun allein, ganz allein vor meiner Zukunft,... ohne meine „Kinder“, ohne meinen Freund,... mit der wenigen Kraft und Energie die ich in Obernberg sammeln konnte.
Eifrig sammelte ich weiter meine Sachen zusammen, bis nichts mehr in das kleine Auto passte.
Ich schloss die Haustür mit einem endgültigen Ende und bis heute bin ich noch er Meinung, das es der beste Entschluss gewesen ist, für mich, und für ihn.

Mein Leben ohne Tobias

Ich wohnte nun ein paar Tage bei meinem Vater.
Mein Vater half mir einen Plan aufzustellen um meine Schulden abzuzahlen die ich noch bei einigen Anbietern offen hatte und mein Leben wandelte sich sehr schnell.
Jessica ging ich jeden zweiten Tag besuchen, ich konnte sie nicht allein lassen, auch nicht in meinen Gedanken.

25.01.2000

Ich hatte einen Arbeitsplatz bei einem Pflegedienst bekommen. Hier war ich verantwortlich für das Leben von 13 Menschen die an ganz unterschiedlichen Erkrankungen litten: Alzheimer, Altersdemenz, Parkinson, Schlaganfallpatienten uvm. Hier lernte ich Steffen am 28.02.2000 kennen und lieben.

Er wusste über mein Leben, mein empfinden und meine Gedanken,
Ich bewundere sein Verständnis und ich bewundere seine Art auch alleine, ohne das ich ihn darauf ansprach, zu Jessica zu gehen um ihr eine wärmende Kerze aufs Grab zu setzen.

Tobias hat, im Juni 2000, Claudia geheiratet.
Tobias und ich haben keinen Kontakt mehr, nur dann, wenn es um Jessica geht, um ihr Grab und ich denke, das dies auch so der beste Weg für uns Beide ist.
Tobias und ich werden nie, wie andere Partner dessen Zusammengehörigkeit zerbricht, wirklich getrennt sein, uns wird immer Jessicas Grab verbinden, auch wenn wir das nicht wollen, auch wenn ich das nicht will und nicht möchte, aber all das gehört zu meinem Leben, all das war mein Leben und all das wird mein weiteres Leben prägen.

Einige Gedanken...

27.12.2000
Es gibt Dinge auf der Welt, die kaum ein Mensch verstehen kann. Wir stellen die Frage nach dem „Warum“, die uns kein Mensch beantworten kann und doch wollen wir verstehen und fragen.
Wir Menschen wollen verstanden werden und doch ist ein Jeder von uns derjenige, der sich nicht versteht; aber wir verlangen es von dem Menschen gegenüber. Wir verlangen das er uns die Antwort auf das Verstehen gibt, der Schlüssel um das Tor in uns zu öffnen.
Ich bin ein Mensch von vielen, der, der verstehen will, der, der auch verstanden werden will und der Hoffnung auf eine Antwort hat, doch ich habe gelernt, das meine Fragen keine Antwort haben und somit habe ich gelernt zu schweigen.
Deshalb wende ich mich an dieses Papier, ohne etwas zu verlangen. Es gibt mir auf meine Fragen keine Antwort, aber es gibt mir den Platz für meine Gedanken, es bietet Fläche für mein Empfinden, für den Menschen, der ich bin. Hier kann ich schreiben, ohne eine Antwort zu erwarten, denn hier muß nur ich mich verstehen. Ich nehme die Suche zu mir auf. Ich hoffe man gibt mir die Kraft und den Mut niemals aufzugeben, auf der suche nach der Freiheit in meiner eigenen Welt, auf der Suche, das ich mich verstehe und akzeptiere.

12.01.2000

Wir Menschen haben Visionen, die uns das ganze Leben begleiten. Wir Menschen setzen Ziele und jeder Mensch hat einen Sinn, ohne das wir es einen weiteren Menschen erzählen müssen können wir trotz allem diesen jederzeit ändern.
Ist es nicht schön etwas in sich zu haben und zu tragen was das Leben noch wertvoller macht?! Morgends aufzustehen und zu wissen: „Dafür lebe ich.“?
Wie viele Menschen haben diese Vollkommenheit verlernt? ...Nicht beachtet?...Nicht wahrgenommen?
Ich weiß wie es ist an nichts mehr zu glauben, an nichts mehr zu hoffen und ich weiß wie es ist sich über den Sonnenschein zu erfreuen, über eine Blüte die ihre Blätter ausstreckt, sowie ich am heutigen Tage weiß wie es ist genau, genau dazwischen zu stehen.
Ich muß neu lernen wahrzunehmen, mich an kleinen Dingen mit offenem Herzen zu erfreuen, ich muß lernen zu Leben, ich muß mich entfalten können um die Raupe als Schmetterling begrüßen zu können.
Meine Gedanken treiben immer wieder erneut Scheuklappen vor meinen Augen. Ich will erleben, ich will erfahren, doch es würde mich aus meinem Schneckenhaus treiben, aus meinem schützenden Haus, aus meiner sterblichen Hülle.

Was würde mich hier erwarten?
Freude? Leid? Stärke? Schwäche? Scham? Nacktheit? Liebe? Geborgenheit? Schmerz? Trauer ???

Einer Vision zu folgen ist nicht leicht, denn oft ist sie genauso sterblich wie wir, es sei denn unser Glaube ist fest an ihr geknüpft.
Manchmal wissen wir Menschen gar nicht, wie viel Kraft wir besitzen um diese Vision zu Folgen, um ein Ziel zu erreichen.

Wie oft hatte ich mich schon aufgegeben?
Wie oft hatte ich schon den Tod vor Augen?
Wie oft brauchte ich schon eine helfende Hand, weil meine zu schwach war...wie oft?

Aber ich lebe, ich bin noch auf diese Erde, ich bin noch hier, mit meiner Vision, mit meinem Kampf, meinem Ziel irgendwann ds Leben zu lieben und wirklich in diesem zu leben.

25.02.2000

Wir Menschen lernen einen Schatten in uns zu tragen, einen Schatten der genau das Gegenteil sagt und tut wonach uns ist.
Wenn wir weinen wollen, dann lacht er;
wenn wir schreien wollen, dann bleibt er stumm,
zu groß scheint die Angst vor dem, was in uns ist.
Es kommt der Tag, wo der Spiegel der Seele, unserer Seele, uns die Wahrheit, das Schwarz in uns zeigt.

Wie oft habe ich gespielt?
Wie oft habe ich von diesem Spiegel, von dieser Maske Gebrauch genommen?
Und wie oft tue ich das noch heute?
Ehrlich gesagt weiß auch ich besser mit dem Spiegel umzugehen, als wie mit dem, der in mir schreit.

Ein mal, vor langer Zeit setzte ich mich vor einem gewöhnlichen Schlafzimmerspiegel schaute mich in diesem an und fragte mich:

„Wer bin ich?“

Er gab mir keine Antwort, aber er gab mir Tränen die mir zeigte, wie traurig ich in Wirklichkeit war.

Wie oft ist mir zum Schreien zumute und ich schweige?
Wie oft möchte ich weinen und ich lache?
Wie oft?

Ich habe mir so oft in meinem Leben gewünscht mich nur einmal zu verstehen, doch habe ich es nie getan. Äußerlich bin ich der Mensch der lacht und in mir fließen die Tränen.

Doch warum tue ich das?
Warum stehe ich nicht zu dem was ich bin?
Wer ich bin?
Und was hinter mir liegt?

Ich vermisse das, was ich verloren habe und schreie in mir vor Schmerzen. In mir schreit die Angst vor dem, was, wer, und wie ich wirklich bin und oft scheint es mir hoffnungslos mich eines Tages wirklich und ehrlich zeigen zu können.

So vergingen wieder viele Jahre.
HAllo Kerstin ich hoffe das du merkst das du mir nach wie vor wichtig bist und das dieser Teil deines Lebens nicht nur dich geprägt hat sondern auch mich.Oft denke ich an dich/euch da auch ich deine kleine Maus auf dem Arm halten durfte und auch mir durch den Kopf ging sie schläft nur.Ich selbst habe es daran gemerkt weil ich anfing sie zu wiegen auch bei mir war das warum? Eine tiefe innere Verbundenheit zu dir verspüre ich auch jedesmal auf dem Geburtstag von SARA.Warum hat es 14Tage länger gedauert für sie auf die Welt zu kommen und dann auf deinem Geburtstag.Soll das nur Zufall sein.Daran glaube ich aber nicht denn ich glaube das vieles durch höhers bestimmt ist.Ich freue mich dich endlich wiedergefunden zu haben und zu merken das uns doch noch was verbindet.Oft erzähle ich meiner Freundin aus der Zeit die wir gemeinsan gegangen waren Münster Essen Borken und du bist für mich immer meine "kleine Schwester"Und es tut mir weh nichts mehr von dir zu wissen RAMONA
OrcinusOrca
1464 Beiträge
31.10.2008 16:51
schubs
01.11.2008 09:46
Ich habe mir endlich deine Geschichte durchgelesen und bin völlig....ich weiss auch nicht. Ich weine, habe zittrige Hände und ich glaub ich brauch ne Zigarette....
Es tut mir furchtbar leid.....
Mehr kann ich nicht sagen, weil ich es nicht in Worte fassen kann was gerade in mir vorgeht

Ich lese selten mit bei den Sternenkindern, weil es mir selbst weh tut zu lesen und weil ich jedesmal tieftraurig bin, aber deinen Eintrag musste ich irgendwie lesen.....

Fühl dich gedückt
Merlin99
1301 Beiträge
01.11.2008 10:20
Mir fehlen die Worte.
Es tut mir so unendlich leid.
01.11.2008 10:38
Hallo
Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ich sitze hier mit meiner Tochter auf dem Schoß und bin richtig bitterlich am weinen. Es tut mir so unheimlich leid was du durchgemacht hast.

Du hast mir mit deinem Buch nochmal klar gemacht, welches Glück Kinder sind. Dafür danke ich dir sehr. Auch wenn es für dich eine bittere Erfahrung war. Ich bin stolz dein Buch, lesen zu dürfen und wünsche dir alles erdenklich gute in deinem Leben !
01.11.2008 10:50
Ich weiß nicht was ich sagen soll tut mir unendlich leid für dich
hatte den ganzen text lang mit den Tränen zu kämpfen bis es dann nicht mehr ging
OrcinusOrca
1464 Beiträge
02.11.2008 14:35
DAnke für euer Mitgefühl, eure Worte und manch einen danke ich auch für sein schweigen.....ich danke jedem, der nur versucht einmal einen kurzen Moment - für die Zeit in der du meine Zeilen liest - in meiner Welt zu sein.

Danke!!!!

Eure Orca /Kerstin
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