Mütter- und Schwangerenforum

Bedürfnisorientierte Erziehung auch in der Schule möglich?

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Kiddo89
1938 Beiträge
02.07.2019 08:53
Hallo liebe Community,
ich versuche meine Tochter bedürfnisorientiert zu "erziehen", habe dazu bisher allerdings kaum Fachliteratur gelesen, sondern folge meist meinen Instinkten.
Im September kehre ich in den Schuldienst zurück und ich merke, wie ich momentan immer wieder bestimmte Schulsituationen gedanklich durchspiele und überlege, wie ich mich heute darin verhalten würde.
Ich frage mich, inwieweit eine bedürfnisorientierte Erziehung auch in der Schule möglich ist und zwar so, dass man die Klasse als Ganzes trotzdem noch "im Griff" hat. Mit einer kleineren Klassengröße geht das zweifelsohne leichter. Trotzdem möchte ich zukünftig Wege finden, besser auf das einzelne Kind eingehen zu können.
Vor der Elternzeit habe ich mit klaren Konsequenzen gearbeitet: ein Kind vor die Tür geschickt/von der Gruppe isoliert, Strafen verteilt, vor der Klasse zurecht gewiesen... Und ja, es gab bestimmte Situationen, da hab ich noch heute ein schlechtes Gewissen. Solche, in denen ich überfordert, das jeweilige Kind von seiner Wut so überrollt war und ich einfach nur versucht habe möglichst schnell zum Unterricht zurückzukehren. Das entspricht nicht mehr meinem Anspruch an mich selbst.
Trotzdem weiß ich, dass es mir die Rahmenbedingungen der Schule schwer machen, auf ein Kind entsprechend eingehen zu können. Beispielsweise habe ich mit Schülern oft nach der Unterrichsstunde noch das Gespräch gesucht, versucht bestimmte Dinge aufzuarbeiten. Aber ganz ehrlich, das zerreißt einen. Man muss selbst in den Pausen so viele Dinge gleichzeitig erledigen, da bleiben die kleinen Menschen leider viel zu oft auf der Strecke. Wenn ich heute an solche Situationen denke, löst das jetzt schon Stressgefühle in mir aus, weil ich weiß, dass ich meinem eigenen Anspruch nicht gerecht werden kann.

Was meint ihr? Wie sollten sich Lehrer Schülern gegenüber in Konfliktsituationen verhalten? Habt ihr vielleicht schon andere Erfahrungen gemacht? Vielleicht auch mit einer anderen Schule (Montessori zB)?
Jaspina1
2347 Beiträge
02.07.2019 09:04
Ich denke, das wird schwierig, wenn es keine Unterstützung von Seiten der Schule gibt, zum Beispiel einen Rückzugsraum für Schüler, die eine Pause machen.
Aber ich kann dir sagen, was die Lehrerin meiner Tochter zu einer guten Lehrerin macht. Sie hat sehr viel Disziplin eingefordert (Ruhe, am Platz sein), was sehr wichtig für die Konzentration in der Klasse war und hat das spieleriach trainiert (wenn das Lied zu Ende ist, sitzen alle am Platz). Gleichzeitig aber hat sie jedes Kind gesehen und vor allem seine Stärken! Ich erinnere mich an den ersten Elternabend, als sie auf jede Eltern zugegangen ist und bei allen hatte sie etwas Positives zu sagen (Kreativität beim Malen eines Bildes z.B.) und es kam immer aus tiefstem Herzen. Sie hat auch immer externe Veranstaltungen der Kinder besucht: Geigenkonzert, Tanzvorführung etc., so dass die Kinder gemerkt haben: Ich bin mehr als meine schulischen Leistungen. Die Kinder waren ao glücklich bei ihr und haben sich für sie bemüht.
Für mich die perfekte Lehrerin!
Zum Abschluss haben wir ein Buch für sie gestaltet. Die Texte der Kinder haben gezeigt, dass sie alles richtig gemacht hat...
02.07.2019 09:06
Erstmal finde ich toll, dass du dir da solche Gedanken machst. Generell klingt es für mich allerdings so, als wäre es kaum machbar, bzw. auch für dich als Mensch zu stressig/anstrengend. Zumindest, wenn du wirklich den Anspruch hast, immer richtig zu handeln. Zu viel denken ist dann manchmal vielleicht auch nicht so gut.

Ich als Mama wünsche mir, dass meine Kinder in der Schule gut aufgehoben sind. Dass die Lehrer die Kinder ernst nehmen und, dass eine gute Lernsituation geschaffen wird. Aber auch, dass sie sich den Lehrern anvertrauen können, wenn sie was auf dem Herzen haben. Mehr aber dann auch nicht. Erziehung selbst hat für mich dann doch nichts in der Schule zu suchen.

Allerdings muss ich ganz klar sagen, dass Lehrer niemals Wut empfinden sollten, bzw. es niemals an den Kindern auslassen oder spüren lassen sollten. Da sollte man als Fachperson schon die Kontrolle haben. Ich möchte nicht von meinen Kindern hören, dass sie angst vor der Lehrerin/dem Lehrer haben, weil sie/er schnell wütend wird, wenn mal was nicht so läuft.

Christen
25059 Beiträge
02.07.2019 09:16
Mir als Mutter ist eigentlich nur wichtig, dass meine Kinder nicht gedemütigt, vorgeführt oder angebrüllt werden. Außerdem sollte eine gute Lehrerin drauf achten, dass die Klassengemeinschaft funktioniert und gestärkt wird.
Wir waren die letzten Jahre immer sehr zufrieden mit den Lehrern unserer Kinder
Marf
28106 Beiträge
02.07.2019 09:38
Als Lehrer sollst du lehren,nicht erziehen.
Setze klare Grenzen und erkläre vorab die Konsequenz,werden sie nicht eingehalten.Und dann auch durchziehen.Die Kinder freundlich,respektvoll gerecht ! und mit Geduld behandeln und vorallem ihnen zuhören....aber Erziehung ist Elternsache.
Die Schulregeln müssen anders sein wie die Zuhause.Für die Schule bedarf es andere Umgangsformen und Massnahmen da die Gruppe viel größer ist und eine andre Struktur vorherrscht.
Kiddo89
1938 Beiträge
02.07.2019 09:49
Naja, wir haben schon auch einen Erziehungsauftrag. Das ist nicht nur Sache der Eltern. Und dieses "Lehren statt Erziehen-müssen" ist ja der Konflikt. Konkretes Beispiel: nach der großen Pause gibt es im Klassenzimmer Unruhe, weil es mehrere ungelöste Konflikte gibt. Die Gefühle der Kinder sind groß, die Konzentration klein. Soll ich das jetzt um des Unterrichts willen beiseite schieben oder versuchen zu klären? Was heißt klären? Störenfriede ausschließen, ihnen eine Auszeit verhängen? Damit JEDES Kind wieder lernen kann, muss ich die Situation als Lehrerin wieder in Ordnung bringen und da ist eben die Frage, welche Vorgehensweise am effektivsten ist, aber auch nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt.
Sind Konsequenzen wirklich immer das richtige Mittel? Bin mir da gerade nicht so sicher.
02.07.2019 09:56
Zitat von Kiddo89:

Naja, wir haben schon auch einen Erziehungsauftrag. Das ist nicht nur Sache der Eltern. Und dieses "Lehren statt Erziehen-müssen" ist ja der Konflikt. Konkretes Beispiel: nach der großen Pause gibt es im Klassenzimmer Unruhe, weil es mehrere ungelöste Konflikte gibt. Die Gefühle der Kinder sind groß, die Konzentration klein. Soll ich das jetzt um des Unterrichts willen beiseite schieben oder versuchen zu klären? Was heißt klären? Störenfriede ausschließen, ihnen eine Auszeit verhängen? Damit JEDES Kind wieder lernen kann, muss ich die Situation als Lehrerin wieder in Ordnung bringen und da ist eben die Frage, welche Vorgehensweise am effektivsten ist, aber auch nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt.
Sind Konsequenzen wirklich immer das richtige Mittel? Bin mir da gerade nicht so sicher.


Wie gesagt, ich persönlich finde in einer solchen Situation wichtig, die Kinder ernst zu nehmen. Und da darf dann auch mal der Unterricht hinten anstehen. Wichtig ist da erstmal den Konflikt zu klären.

Konsequenzen sind ja erstmal auch nicht unbedingt was schlimmes. Manchmal geht es eben nicht anders. Wenn ein Kind z.B. ständig mit einem Ball, absichtlich andere verletzt, ist die Konsequenz eben irgendwann, dass dieses Kind den Ball in den Pausen nicht mehr bekommt. Da ständig aufs neue zu diskutieren und andere Lösungen zu finden, empfinde ich zu viel des Guten.

02.07.2019 09:56
Zitat von Marf:

Als Lehrer sollst du lehren,nicht erziehen.
Setze klare Grenzen und erkläre vorab die Konsequenz,werden sie nicht eingehalten.Und dann auch durchziehen.Die Kinder freundlich,respektvoll gerecht ! und mit Geduld behandeln und vorallem ihnen zuhören....aber Erziehung ist Elternsache.
Die Schulregeln müssen anders sein wie die Zuhause.Für die Schule bedarf es andere Umgangsformen und Massnahmen da die Gruppe viel größer ist und eine andre Struktur vorherrscht.


Das ist leider falsch. Es ist sogar gesetzlich festgeschrieben, dass Lehrer einen Erziehungsauftrag haben, lässt sich für jeden im Schulgesetz nachlesen. Und im besten Fall sollten doch grundlegende Regeln die gleichen sein. Bspw. wie man mit den Mitschülern umgeht, dass man Müll in den Mülleimer wirft, dass man ja den ausreden lässt usw. Spezifische Regeln gibt es natürlich zusätzlich, wie überall sonst auch, sei es im Schwimmbad, im Freizeitpark oder wo auch immer.
Kiddo89
1938 Beiträge
02.07.2019 09:57
Zitat von Skorpi:

Zitat von Kiddo89:

Naja, wir haben schon auch einen Erziehungsauftrag. Das ist nicht nur Sache der Eltern. Und dieses "Lehren statt Erziehen-müssen" ist ja der Konflikt. Konkretes Beispiel: nach der großen Pause gibt es im Klassenzimmer Unruhe, weil es mehrere ungelöste Konflikte gibt. Die Gefühle der Kinder sind groß, die Konzentration klein. Soll ich das jetzt um des Unterrichts willen beiseite schieben oder versuchen zu klären? Was heißt klären? Störenfriede ausschließen, ihnen eine Auszeit verhängen? Damit JEDES Kind wieder lernen kann, muss ich die Situation als Lehrerin wieder in Ordnung bringen und da ist eben die Frage, welche Vorgehensweise am effektivsten ist, aber auch nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt.
Sind Konsequenzen wirklich immer das richtige Mittel? Bin mir da gerade nicht so sicher.


Wie gesagt, ich persönlich finde in einer solchen Situation wichtig, die Kinder ernst zu nehmen. Und da darf dann auch mal der Unterricht hinten anstehen. Wichtig ist da erstmal den Konflikt zu klären.

Konsequenzen sind ja erstmal auch nicht unbedingt was schlimmes. Manchmal geht es eben nicht anders. Wenn ein Kind z.B. ständig mit einem Ball, absichtlich andere verletzt, ist die Konsequenz eben irgendwann, dass dieses Kind den Ball in den Pausen nicht mehr bekommt. Da ständig aufs neue zu diskutieren und andere Lösungen zu finden, empfinde ich zu viel des Guten.


Das stimmt, da gebe ich dir vollkommen recht. Der Schutz eines jeden Kindes hat immer Priorität.
02.07.2019 10:02
Zitat von Kiddo89:

Naja, wir haben schon auch einen Erziehungsauftrag. Das ist nicht nur Sache der Eltern. Und dieses "Lehren statt Erziehen-müssen" ist ja der Konflikt. Konkretes Beispiel: nach der großen Pause gibt es im Klassenzimmer Unruhe, weil es mehrere ungelöste Konflikte gibt. Die Gefühle der Kinder sind groß, die Konzentration klein. Soll ich das jetzt um des Unterrichts willen beiseite schieben oder versuchen zu klären? Was heißt klären? Störenfriede ausschließen, ihnen eine Auszeit verhängen? Damit JEDES Kind wieder lernen kann, muss ich die Situation als Lehrerin wieder in Ordnung bringen und da ist eben die Frage, welche Vorgehensweise am effektivsten ist, aber auch nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt.
Sind Konsequenzen wirklich immer das richtige Mittel? Bin mir da gerade nicht so sicher.


Bist du an einer Grundschule oder an einer weiterführenden Schule?
Ich denke, man muss je nach Situation versuchen, für jedes Kind die beste Lösung zu finden. Das kann man gar nicht so pauschalisieren. Letztendlich zählt doch, dass wir Lehrer versuchen, den Kindern zuzuhören und sie ernst nehmen. In manchen Fällen finde ich es zb auch sinnvoll, ein Kind von der Gruppe zu trennen, damit sich das Kind beruhigen kann und nicht weiter einer Situation ausgesetzt ist. Man kennt seine Kinder ja mit der Zeit auch und weiß, was evtl. hilfreich ist... Aber ganz einfach find ich das auch nicht, da gebe ich dir absolut Recht
Kiddo89
1938 Beiträge
02.07.2019 10:08
Ein Beispiel aus unserer Schule, wie wir mit schwerwiegenden Konflikten umgehen (ab Klasse 5): kann sich ein Schüler nicht an die Regeln halten, wird er gefragt, ob er eine Auszeit möchte und kann dann freiwillig in den "Trainingsraum " gehen. Hält er sich erneut nicht an die Regel, schickt der Lehrer ihn dorthin. Dort wartet eine andere Lehrperson auf ihn und fängt ihn auf, klärt den Konflikt etc. So, vom Prinzip her war das Konzept echt toll. Nur zeigten sich in der Praxis zwei Probleme, 1. der Raum kann wegen Vertretung etc nicht immer besetzt werden 2. Schüler gingen gern dorthin. Also wurde beschlossen, dass es nach dem 4./5./6. bestimmte Konsequenzen gibt (Ekternbrief, Unterrichtsausschluss...) . Inzwischen ist es also so, dass es für die Schüler furchtbar ist in den Trainigsraum zu gehen. Manchmal geht es aber nicht anders und solche Situationen enden nicht selten in großen Gefühlsausbrüchen. Ich finde das sehr schade , weil der Ansatz eigentlich gut war. Es aber leider nicht so wie gewünscht funktioniert hat.
Kiddo89
1938 Beiträge
02.07.2019 10:10
Zitat von Cece5:

Zitat von Kiddo89:

Naja, wir haben schon auch einen Erziehungsauftrag. Das ist nicht nur Sache der Eltern. Und dieses "Lehren statt Erziehen-müssen" ist ja der Konflikt. Konkretes Beispiel: nach der großen Pause gibt es im Klassenzimmer Unruhe, weil es mehrere ungelöste Konflikte gibt. Die Gefühle der Kinder sind groß, die Konzentration klein. Soll ich das jetzt um des Unterrichts willen beiseite schieben oder versuchen zu klären? Was heißt klären? Störenfriede ausschließen, ihnen eine Auszeit verhängen? Damit JEDES Kind wieder lernen kann, muss ich die Situation als Lehrerin wieder in Ordnung bringen und da ist eben die Frage, welche Vorgehensweise am effektivsten ist, aber auch nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt.
Sind Konsequenzen wirklich immer das richtige Mittel? Bin mir da gerade nicht so sicher.


Bist du an einer Grundschule oder an einer weiterführenden Schule?
Ich denke, man muss je nach Situation versuchen, für jedes Kind die beste Lösung zu finden. Das kann man gar nicht so pauschalisieren. Letztendlich zählt doch, dass wir Lehrer versuchen, den Kindern zuzuhören und sie ernst nehmen. In manchen Fällen finde ich es zb auch sinnvoll, ein Kind von der Gruppe zu trennen, damit sich das Kind beruhigen kann und nicht weiter einer Situation ausgesetzt ist. Man kennt seine Kinder ja mit der Zeit auch und weiß, was evtl. hilfreich ist... Aber ganz einfach find ich das auch nicht, da gebe ich dir absolut Recht

Sowohl als auch, unterrichtete bisher in Klasse 3-7 Gemeinschafttsschule .
Pallas
81 Beiträge
02.07.2019 10:21
Hallo,
mein Sohn wird jetzt erst im August eingeschult, daher kann ich nur sagen, was ich mir in der schule für ihn wünschen würde:

Die Individualität des Kindes muss Priorität haben, z.b. durch Differenzierung im Stoff.

Keine konditionierung durch Sticker oder smileys sammeln, die intrinsische Motivation sollte stattdessen gestärkt werden.

Keine Gewalt von Seiten der Lehrkraft (verbal durch schreien und machtdemonstration).

ECHTE Partizipation im schulalltag.

Logische Konsequenzen anstatt vorher festgelegter strafen (z.b. Wiedergutmachungen)

Mir ist zwar klar, dass das alles nicht immer leistbar ist, insbesondere bei klassischen schulstrukturen mit nur einer Lehrkraft und Frontalunterricht, jedoch hoffe ich, dass zumindest einige Aspekte in der zukünftigen schule meines Kindes mehr Beachtung finden als in seiner jetzigen kita.
Pallas
81 Beiträge
02.07.2019 10:34
Ich kann zu dem Thema übrigens sehr "Schülerjahre" von Remo Largo empfehlen, für Eltern und Pädagogen!
Marf
28106 Beiträge
02.07.2019 12:33
Das es einen Erziehungsauftrag gibt,ist ist mir bekannt.Doch muss ich als Lehrer nicht dauernd die Versäumnisse ders Elternhauses auffangen oder mir gar Gedanken machen .
Das eine ist Schule,das andere Privat.
Wenn in der Schule bzw. innerhalb der Klasse klare Regeln aufgestellt wurden - passiert heute ja sehr gut im Klassenverband , kann sich Kind danach richten.Ebenso der Lehrer.Bei meinen wird das in einem Klassenkreis wöchentlich besprochen und immer aufs neue austariert.Sie suchen zusammen nach Lösungen und jeder hat dort eine Stimme die gehört wird.
Und Konsequenzen sind nicht schädlich.Es sind natürliche Folgen aufgrund einer Handlung.Wir haben ja nicht nur negative Situationen,positive ziehen auch eine Konsequenz nach sich.
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